Artikel der Kategorie Berlin Depesche

.

SPD-Rentenkonzept

Am 24. September hat der SPD-Parteivorstand einen Antrag zum neuen Rentenkonzept verabschiedet. Über Fragen des künftigen Rentenniveaus und der Beitragsentwicklung will die SPD noch weiter diskutieren. Der Beschluss zum Gesamtkonzept soll schließlich am 24. November erfolgen – dann entscheiden die Delegierten beim SPD-Parteikonvent.

Die gesetzliche Rentenversicherung soll wieder eine tragende Säule der Alterssicherung werden. Dafür biete das Konzept die richtigen Antworten, so Parteichef Sigmar Gabriel. Er sprach von einer „leidenschaftlich geführten dreieinhalbstündigen Debatte“ im SPD-Führungsgremium. Es sei richtig, dass die SPD den Kampf gegen die Altersarmut aufgenommen habe.

Die Eckpunkte für das SPD-Rentenkonzept berücksichtigen mehrere Bedingungen für eine verlässliche und gute Alterssicherung: Im Arbeitsleben gute Löhne und Schutz für Menschen, die bislang außen vor blieben. Eine Solidarrente für alle, die lange gearbeitet haben. Menschenwürdige Übergänge in den Ruhestand. Und ergänzend eine bessere Förderung von Betriebsrenten. Jetzt werden die Vorschläge in der SPD diskutiert.

„Wer über Altersarmut redet, darf über Erwerbsarmut nicht schweigen“, heißt es in dem fünfseitigen Papier. Ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro und die Stärkung der Tarifbindung mit höheren Löhnen und Gehältern sind als wichtige Grundlage genannt. Auch das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ – zwischen Frauen und Männern und im Bereich der Leih- und Zeitarbeit. Und die SPD will dafür sorgen, dass alle Menschen die Chance auf gute Arbeit und Einkommen haben: mit einer wachstumsorientierten Industriepolitik, mehr Ausbildungsplätzen, besserer Bildung und Kinderbetreuung.

Kernpunkte des Antrages sind:

1. Solidarrente

Sie soll nach 30 Beitragsjahren auch nach längerer Arbeitslosigkeit oder geringfügiger Beschäftigung einen Mindestanspruch von 850 Euro im Monat garantieren. Für alle, die trotz 30 Beitrags- und 40 Versicherungsjahren nicht auf diesen Betrag kommen, soll im Sozialrecht eine zweite Stufe der Grundsicherung eingeführt werden.

2. Neues beim Rentenzugang

Wer 45 Versicherungsjahre – nicht Beitragsjahre – aufweist, soll auch schon vor dem 65. Lebensjahr ohne Einbußen in Rente gehen können. Bislang erhalten Beschäftigte nur dann die volle Rente, wenn sie 45 Jahre in die Versicherung eingezahlt haben und 65 Jahre alt sind.

3. Erwerbsminderungsrente

Bezieher sollen keine Abschläge mehr hinnehmen. Bislang wird der Betroffene dabei so gestellt, als habe er bis zum 60. Lebensjahr weiter Beiträge zur Rente gezahlt. Die Zeit zwischen Eintritt der Erwerbsminderung und dem 60. Lebensjahr wird „Zurechnungszeit“ genannt. Diese Zeit will die SPD in einem Schritt bis zum 62. Lebensjahr verlängern. Zudem soll die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren für den Eintritt in die Erwerbsminderung besser bewertet werden.

4. Teilrente

Beschäftigte in körperlich und psychisch belastenden Berufen sollen ab dem 60. Lebensjahr auf das neue Modell zurückgreifen können. In Zehn-Prozent-Schritten kann danach die Arbeit bis zu 70 Prozent reduziert werden.

5. Kindererziehungszeiten

Ihre Anerkennung will die SPD für alle Neurentner vereinheitlichen. Bislang sind Frauen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, bei der Rentenberechnung schlechter gestellt.

6. Solo-Selbstständige

Für Freiberufler, die ohne Rentenvorsorge sind und deshalb häufig in Altersarmut landen, soll es ein eigenes Beitragssystem geben. In den ersten Jahren nach Gründung eines Unternehmens könnte für sie Beitragsfreiheit gelten.

7. Betriebliche Altersversorgung

Sie soll als Ausgleich für die Absenkung des Rentenniveaus – von jetzt gut 50 auf 43 Prozent bis 2030 – massiv ausgebaut werden. Als „zweite Stufe“ neben der Rentenversicherung soll sie weitgehend die Riester-Rente ersetzen. Geplant ist eine „Betriebsrente Plus“, in der jeder Arbeitnehmer, falls er nicht ausdrücklich widerspricht, zwei Prozent seines Bruttolohns einzahlt. Der Staat soll diesen Sockelbetrag mit 400 Euro im Jahr fördern. Auch die Unternehmen sollen sich beteiligen.

8. Finanzierung

Die Mehrkosten für die Betriebsrenten gegenüber heutigen Fördermodellen werden auf sechs Milliarden Euro im Jahr geschätzt. Für die Solidarrente werden jährlich ansteigend etwa eine Milliarde veranschlagt, für die Kindererziehungszeiten 150 Millionen im Jahr. All dies soll durch Steuereinnahmen finanziert werden. Zudem soll die Erwerbsminderungsrente von 500 Millionen in 2014 auf 7,7 Milliarden in 2030 aus den Beiträgen der Versicherten erhöht werden.

9. Beiträge

Ihren Anstieg will die SPD in kleinen Schritten verstetigen. Die Sätze sollen von 2014 bis 2029 um durchschnittlich 0,4 Prozent höher steigen als bislang geplant. Damit würde aber das von der Rentenversicherung angepeilte Beitragsniveau von 22 Prozent bis 2029 nicht übersprungen.

 

mehr

Breitbandkonzept

Sicherung der Grundversorgung und Ausbau von Hochleistungsnetzen

Mit dem Anfang September verabschiedeten Breitbandkonzept hat die SPD-Bundestagsfraktion einen weiteren Baustein ihres Projekts „Infrastrukturkonsens“ vorgelegt. Das Positionspapier „Schnelles Internet für alle: Flächendeckende Breitbandversorgung sichern und dynamische Entwicklung beschleunigen“ wurde in einem bislang einzigartigen einjährigen Dialogprozess mit Experten aus Unternehmen, Gewerkschaften, Verbänden und der Wissenschaft erarbeitet. Geleitet hat die Projektarbeitsgruppe Martin Dörmann.

Leistungsfähige Internetanschlüsse sind entscheidend für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Deutschlands. Der flächendeckende Breitbandausbau schafft die Voraussetzungen für die Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen und Regionen am Fortschritt und den Möglichkeiten der digitalen Gesellschaft.

Die SPD-Bundestagsfraktion will endlich eine flächendeckende Grundversorgung mit schnellen Internetverbindungen umsetzen und dies durch eine Universaldienstverpflichtung absichern. Damit würde die Nutzung klassischer Internetanwendungen für alle ermöglicht: das Abrufen von Informationsangeboten, die Nutzung von E-Mail-Diensten, die Teilnahme an sozialen Netzwerken oder das Einkaufen im Netz. Schnellstmöglich soll auch eine Qualitätsentwicklung mit Geschwindigkeiten von mindestens sechs Megabit pro Sekunde (Mbit/s) realisiert werden. Diese Bandbreite ermöglicht bereits IP-TV und „video on demand-Anwendungen“ in angemessener Qualität. Und man will den schrittweisen Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen, die deutlich höhere Bandbreiten von 50 Mbit/s und mehr ermöglichen. Dafür brauchen wir wettbewerbs- und investitionsfreundliche Rahmenbedingungen, die konsequente Nutzung von Synergieeffekten sowie bessere staatliche Fördermöglichkeiten.

Mit diesem umfassenden Konzept setzt die SPD-Bundestagsfraktion einen Kontrapunkt zur Bundesregierung, die zwar Breitbandziele formuliert, aber nicht einhält. Mit der drohenden Verschärfung einer digitalen Spaltung dürfen wir uns nicht abfinden. Deshalb will die SPD-Bundestagskation den Breitbandausbau deutlich beschleunigen.

mehr

Berlin Depesche Nr. 72

Einige Themen dieser Ausgabe:

Brief von Sigmar Gabriel zur Regulierung des Finanzsektors Berichte über Veranstaltungen Politische Sommertour Steinbrück-Papier zum Finanzsektor (Dokument ist beigefügt) SPD-Rentenkonzept

 

 

mehr

Thesenpapier zu Banken

„Eine Minderheit schadet der Mehrheit – und dem ganzen Land“

 

SPD-Parteivorsitzender Sigmar Gabriel hat im Juli ein Thesenpapier zur Bändigung von Banken und des Finanzsektors vorgestellt. Ein Ziel: Anstatt wie bisher Staaten zu erpressen und die Politik zu diktieren, müssen Banken auch pleitegehen können, ohne dass ganze Volkswirtschaften zusammenbrechen. Nachfolgend das Papier im Wortlaut:

Wie immer gilt: Die Mehrheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutscher, europäischer und internationaler Banken macht einen guten Job. Aber eine Minderheit von Bankmanagern riskiert durch ihr Verhalten täglich einen gigantischen volkswirtschaftlichen Schaden und hat einen massiven Vertrauensverlust für die gesamte Branche zu verantworten.

Das Vertrauen in Banken und Finanzmärkte wieder herzustellen, ist nicht allein die Aufgabe der Politik. Die anständigen und im besten Sinne „ehrbaren Kaufleute“ in Privatbanken, Sparkassen und Volksbanken müssen sich endlich laut und vernehmlich gegen die „schwarzen Schafe“ ihrer Branche zu Wort melden und eigene Vorschläge zur Regulierung machen. Wir alle brauchen die Banken und einen leistungsfähigen Finanzsektor. Aber wenn die Menschen den Banken wieder vertrauen sollen, muss sich die Finanzindustrie grundlegend ändern.
Aber auch die Politik ist gefragt: Sie hat in der Vergangenheit schwere Fehler gemacht – auch in Deutschland.  Umso wichtiger, dass wir jetzt endlich umsteuern: Wir dürfen nicht nur klagen und jammern, wir müssen handeln.  Dabei sind die folgenden Punkte von besonderer Bedeutung.

1.                   Banken erpressen die Staaten. Aus Angst vor dem „Dominoeffekt“ und dem gigantischen Schaden für die reale Wirtschaft durch ein Zusammenbrechen großer Teile des Bankensystems wurden und werden die Regeln der Marktwirtschaft bei Banken und an den Finanzmärkten auf den Kopf gestellt: Sie müssen für den Schaden, den sie anderen bereiten, nicht aufkommen.
Das ist verantwortungslos im wörtlichen Sinn: Risiko und Haftung liegen nicht mehr in einer Hand. Gewinne werden privatisiert – Verluste hemmungslos sozialisiert.

Deshalb brauchen wir endlich ein europäisches Bankeninsolvenzrecht, das dafür sorgt, dass große Pleite-Banken auch pleitegehen können – ohne dass ganze Volkswirtschaften zusammenbrechen. Zuerst müssen Aktionäre und Anleihegläubiger (nicht die Sparer) für ihre riskanten Geschäfte mit ihrem eigenen Vermögen haften -  und nicht die Steuerzahler und der Staat.
Statt staatlicher Rettungsschirme muss es einen privatwirtschaftlichen Rettungsschirm („Banken-ESM“) der großen Banken untereinander geben, der durch eine europaweite Bankenabgabe finanziert werden muss.

Wo trotzdem Banken durch staatliches Handeln „gerettet“ werden müssen, muss der Staat auch Eigentümer werden. Diese teilweise oder vollständige Verstaatlichung darf in Zukunft nicht mehr einzelfallbezogen erfolgen, sondern muss generelle gesetzliche Regelung werden, um ausreichend abschreckend auf die Aktionäre zu wirken.

2.                   Banken diktieren die Politik. Sie betreiben auch heute riskante Geschäft als hätte es die Finanzkrise 2008 nicht gegeben. Und wenn es schief geht, „bestellen“ sie bei der Politik „Rettungspakete“. Diese Rettungspakete werden immer gewaltiger und ihre Verabschiedung hat den Deutschen Bundestag längst in einen permanenten verfassungsrechtlichen Ausnahmezustand gezwungen.
Am schlimmsten aber ist: Die Politik erscheint der Bevölkerung immer mehr als ohnmächtiger oder willfähriger Handlanger von Banken und Finanzmärkten. Statt eine wirksame, harte und kompromisslose Regulierung und Bändigung des Finanzsektors zu ihrem Ziel zu machen, beugt sich die deutsche Bundeskanzlerin diesem Druck und fordert „marktkonforme Demokratien“.

Die Bundestagswahl 2013 muss zu einer Entscheidung über die Bändigung des Banken- und Finanzsektors werden. Nicht die Demokratie muss marktkonform werden, sondern die (Finanz-)märkte demokratiekonform. Um das zu erreichen brauchen wir u.a.:

– das Verbot des Hochfrequenzhandels, der sich inzwischen weitgehend jeder Kontrolle entzogen hat und Risiken maximiert statt zu minimieren.

– die Pflicht zur ausreichenden Absicherung des Verlustpotentials im Derivatehandel.

– eine ausreichende Eigenkapitalausstattung und größere nationale Einlagensicherungssysteme in Europa.
Banken müssen wieder „langweilig“ werden: statt der Profitfantasie durch überzogene Schuldenhebel muss wieder das traditionelle Geschäft der Finanzierung von der Realwirtschaft in den Mittelpunkt rücken.

3.                   Einige Banken leisten Beihilfe zur Steuerkriminalität. Die aktuellen Fälle in der Schweiz zeigen: Manche Banken drücken nicht nur beide Augen zu, sie leisten nicht nur Beihilfe, sie sind Teil eines Netzwerks, das auch vor kriminellen Aktivitäten nicht zurückschreckt. Steuerhinterziehung und Beihilfe dazu sind keine „Sünden“, sondern schwere Straftaten, die mit bis zu 10 Jahren Haft bestraft werden können. Schwere und bandenmäßig organisierter Steuerhinterziehung in Millionenhöhe ist organisierte Kriminalität.

Daher muss der Generalbundesanwalt verpflichtet werden, auch gegen ausländische Kreditinstitute und ihre Mitarbeiter im In- und Ausland die Strafverfolgung aufzunehmen.

4.                   Banken zahlen unanständige Gehälter. Während die Kundenbetreuer in der Filiale kurz gehalten werden, genehmigen sich die Top-Manager auch von Pleite-Banken üppige Gehälter und Boni. Wir wollen, dass ab einer bestimmten Obergrenze Vorstandsbezüge nicht mehr von der Steuer abgesetzt werden können. Statt Leistung lohnen sich häufig Rücksichtslosigkeit, Lüge, Frechheit und Betrug. Jüngstes Beispiel: die Skandale beim Verkauf des Energieunternehmens EnBW durch CDU-Politiker und Manager von Morgan-Stanley.

Für die Schäden solcher Deals müssen die verantwortlichen Bankmanager mit ihrem Privatvermögen in Zukunft in Haftung genommen werden.

5.                   Banken spekulieren riskant mit dem Geld ihrer Sparer. Wir wollen nicht, dass Sparer mit ihren Einlagen für Spekulationsverluste in Milliardenhöhe haften.
Deshalb muss der normale Bankbetrieb bilanziell oder rechtlich vom Investmentbanking getrennt werden.
Der Bankensektor muss sich wieder gesund schrumpfen. Statt großer und nicht mehr kontrollierbarer Banken mit Bilanzsummen, die einem Mehrfachen der wirtschaftlichen Jahresleistungen ganzer Länder entsprechen, brauchen wir wieder kleinere Banken mit einem tragfähigen Geschäftsmodell.

6.                   Banken zocken ihre Kunden ab. Sie können sich für weniger als einem Prozent Zinsen Geld bei der Europäischen Zentralbank besorgen. Nie war Geld für die Banken so billig. Aber die Kunden in Deutschland müssen für ihren Dispo-Kredit im Durchschnitt über zehn Prozent zahlen.

Zentralbankkredite an Geschäftsbanken müssen mit Auflagen zur zinsgünstigen Weitergabe und Konditionen für deren Zinsstruktur verbunden werden.

7.                   Banken halten sich nicht an „Selbstverpflichtungen“. Bis zu 670.000 Menschen haben in Deutschland kein Girokonto – obwohl die Banken versprochen haben, ein „Jedermann-Konto“ für alle anzubieten.
Jetzt muss der Gesetzgeber ran, um die Kunden zu schützen.

8.                   Banken manipulieren. Großbanken in London manipulieren den wichtigsten Leitzins mit krimineller Energie, Berater schwatzen arglosen Kunden auch in Deutschland Schrott-Papiere an – das zeigt: Viele Banken haben sich längst weit vom Ethos des ehrbaren Kaufmanns entfernt.

Die Strafvorschriften und die private Haftung müssen deutlich verschärft werden.

 

mehr

Berliner Tagebuch

Um einen Einblick in die Arbeit eines Abgeordneten in Berlin zu geben, schildere ich meine Sitzungswoche vom 25. bis 29. Juni. Im Mittelpunkt der Debatten im Parlament standen die Entscheidungen zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und zum Fiskalpakt.

 

Berliner Tagebuch 

mehr

Sonderausgabe ESM/Fiskalpakt

Beschlüsse, Argumente und Hintergründe zum Europäischen Stabilitätsmechanismus.

mehr

mehr

Berlin Depesche Nr. 71

Wahlkreiszeitung mit aktuellen Informationen aus Berlin und Köln.

Einige Themen dieser Ausgabe:

Brief von Sigmar Gabriel zur Regulierung des Finanzsektors SPD-Themenwoche „GEGEN RECHTS“ in Kalk Wechsel im MdB-Büro Köln ESM, Fiskalpakt und Hilfspaket für Spanien Thesenpapier zu Banken und Finanzsektor Berliner Tagebuch von Martin Dörmann (Schwerpunkt) mehr

SPD-Thesen zum Urheberrecht

Der Arbeitskreis Urheberrecht der SPD-Bundestagsfraktion, in dem Rechts-, Medien-, Kultur-, Netz-, Verbraucher-, Bildungs- und Forschungspolitiker zusammenarbeiten, hat nach über einem Jahr intensiver Diskussion ein Thesenpapier verabschiedet, das Eckpunkte für eine notwendige Reform des Urheberrechts aufzeigt. An dem Text mitgewirkt haben insbesondere die Abgeordneten Burkhard Lischka, Martin Dörmann, Siegmund Ehrmann, Lars Klingbeil als Sprecher für die Bereiche Recht, Medien, Kultur und Netzpolitik sowie Brigitte Zypries, Justiziarin der Fraktion. Das Papier umfasst zwölf Thesen, die aufzeigen, auf welche Aspekte bei der Erarbeitung eines zeitgemäßen Urheberrechts geachtet werden muss und wie ein fairer Ausgleich zwischen den Interessengruppen gefunden werden könnte. Es soll ein Dialogangebot sein, um einen intensiven Austausch mit allen beteiligten Akteuren und Interessierten zu forcieren. Ein modernes und gerechtes Urheberrecht kann nur im Dialog aller und nicht gegeneinander gelingen. Nachfolgend dokumentieren wir das vollständige Thesenpapier.

12 Thesen für ein faires und zeitgemäßes Urheberrecht

Der Streit um das Urheberrecht hat sich zu einem der zentralen Konflikte der digitalen Gesellschaft entwickelt. Unterschiedliche Interessen von Urhebern, Verwertern, Nutzern und Konsumenten stehen sich häufig scheinbar unversöhnlich gegenüber. Keine Partei oder politische Gruppierung hat bisher eine Antwort auf diesen Konflikt entwickelt, die über Schlagworte und vermeintlich einfache Lösungen hinaus geht.

Die SPD-Bundestagsfraktion möchte mit ihrem Thesenpapier für ein faires und zeitgemäßes Urheberrecht eine ehrliche Debatte über die Zukunft des Urheberrechts führen. Wir setzen uns für  eine Modernisierung des Urheberrechts in der digitalen Gesellschaft ein, das Kreative und Urheber stärkt und das Recht mit neuen digitalen Nutzungspraktiken in Einklang bringt. Unser Ziel ist es, einen fairen und gerechten Ausgleich der Interessen von Urhebern, Verwertern und Nutzern sicherzustellen. Wir wollen sie bei der legitimen Durchsetzung ihrer Rechte unterstützen – sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Die Weiterentwicklung des Urheberrechts kann nur im Dialog und nicht gegeneinander gelingen.

1. Die SPD steht für ein modernes Urheberrecht, das den Anforderungen der digitalen Welt Rechnung trägt. Auch im Zeitalter des Internet benötigt geistiges Eigentum angemessenen Schutz – national und international. Die gesellschaftlichen, technologischen und wirtschaftlichen Veränderungen durch das Internet verstehen wir zugleich als Chance, kulturelle Teilhabe und Vermittlung, Demokratie, aber auch Vermarktung und Verbreitung kultureller Angebote zu verbessern. Kreativität und Ideen sind wesentliche Voraussetzungen einer lebendigen Kultur- und Kreativwirtschaft, die ein Motor für Innovationen in Deutschland ist. Wir wollen, dass Autoren, Künstler, Kulturschaffende in Film-, Musik-, Buch- und anderen Branchen ihre kreative und künstlerische Arbeit auch künftig im Internet vermarkten können.

2. Für ein funktionsfähiges Urheberrecht ist es unerlässlich, eine Balance zwischen den beteiligten Akteuren herzustellen. Sie muss darauf ausgerichtet bleiben, einen gerechten Ausgleich der Interessen von Urhebern, Verwertern und Nutzern zu schaffen, um so die Legitimationskrise des Urheberrechts zu stoppen. Darüber hinaus müssen auch die Verteilungsfragen innerhalb der Kreativwirtschaft thematisiert werden.

3. Das Einkommen des Urhebers aus der kommerziellen Verwertung seiner Werke muss fair und angemessen sein. Die SPD tritt dafür ein, den Urheber im Verhältnis zum Verwerter zu stärken. Das seit 10 Jahren geltende Urhebervertragsrecht soll die strukturell schwächere Position des Urhebers in den Vergütungsverhandlungen mit dem Verwerter ausgleichen. Damit das in der Praxis gelingt, müssen die im Gesetz vorgesehenen Konfliktlösungsmechanismen wirksamer gestaltet und um effektive Kontroll- und Sanktionsinstrumente ergänzt werden.

4. Das Internet hat die Möglichkeit der Teilhabe am kulturellen Leben vereinfacht, aber auch die Verletzung von Urheberrechten erleichtert. Nutzer können frei und ungehindert auf geschützte Inhalte im Internet zugreifen – legal und illegal. Dies erfordert gleichermaßen Maßnahmen zur Aufklärung und die Vermittlung von Akzeptanz für den Wert geistigen Eigentums sowie effektive Maßnahmen zu dessen Schutz. Zugleich müssen Modelle entwickelt werden, die einfach und nutzerfreundlich eine legale Nutzung geschützter Inhalte ermöglichen und auch den Nutzern Rechtssicherheit bieten. Die Entwicklung legaler kommerzieller Geschäftsmodelle sollte daher unterstützt und vorangetrieben werden. Bestehende attraktive Geschäftsmodelle sind zugleich ein Beleg dafür, dass die Nutzer bereit sind, für derartige Angebote zu zahlen. Auch Modelle der freiwilligen Lizensierung, wie sie beispielsweise die Organisation Creative Commons (CC) in ihren Lizenzvertragsmustern vorschlägt, können eine nutzerfreundliche Möglichkeit unbürokratischer Rechteeinräumung darstellen und sollten gefördert werden.

5. Eine allgemeine, pauschale Kulturflatrate ist als Modell, Urhebern eine Vergütung aus der nichtkommerziellen Weitergabe und Vervielfältigung von digitalen, urheberrechtlich geschützten Werken zu gewähren, keine geeignete Lösung. Denn eine solche Zwangsabgabe würde zu einer erheblichen Belastung auch derjenigen führen, die das Internet nur in geringem Umfang nutzen. Sie ist im Übrigen mit einer Legalisierung der massenhaften unerlaubten nichtkommerziellen Nutzung digitaler Werke verbunden und entzieht dem Urheber damit die Befugnis, über die Nutzung seines Werkes selbst zu entscheiden. Schwierig ist es auch, eine gerechte Verteilung des Aufkommens an die Künstler, die sich an den Downloadzahlen orientieren müsste, zu gewährleisten. Demgegenüber begrüßt die SPD Modelle, die sich auf die Lizensierung von Musik beziehen. Wir können uns solche Modelle auch für andere digitale Inhalte vorstellen.

6. Das System der kollektiven Rechtewahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften ist ein wichtiges Element zur Sicherung der kulturellen Vielfalt und ist auch im europäischen Kontext weiterzuentwickeln. Das bedeutet aber zugleich, dass die Verwertungsgesellschaften ihren Verpflichtungen zur Transparenz und zur Erfüllung sozialer und kultureller Zwecke besser als bisher nachkommen sowie die Kreativen gerecht am Erlös beteiligen.

7. Maßnahmen zum Schutz geistigen Eigentums müssen verhältnismäßig sein. Sie dürfen die Bürgerinnen und Bürger nicht in ihren Grundrechten, insbesondere nicht im Recht auf informationelle Selbstbestimmung und dem Fernmeldegeheimnis unverhältnismäßig beschränken. Eine flächendeckende Inhaltefilterung des Datenstroms oder eine Sperrung des Internetzugangs lehnen wir ebenso ab wie die Einführung eines Warnhinweismodells. Die SPD spricht sich gegen jede Form eines staatlichen two- oder three-strikes-Modells und gegen eine rein private Rechtsdurchsetzung bei Urheberrechtsverletzungen aus.

8. Um dem Akzeptanzverlust des Urheberrechts entgegenzutreten, muss die Rechtsdurchsetzung effektiv, aber verhältnismäßig sein. Geringfügige Rechtsverletzungen oder die Inanspruchnahme von Anschlussinhabern als Störer für das rechtswidrige Verhalten Dritter dürfen private Internetnutzer nicht an den Rand des finanziellen Ruins treiben. Abmahnungen, deren eigentliches Ziel nicht mehr die an sich legitime Rechtsverfolgung, sondern eher ein lukratives Geschäftsmodell für eine kleine Gruppe von Anwälten ist, müssen eingeschränkt werden. Dem Abmahnmissbrauch muss Einhalt geboten werden. Die SPD tritt deshalb für eine effektive Begrenzung des Streitwerts bei einmaligen, geringfügigen Urheberrechtsverstößen ein.

9. Die Erfahrungen mit den Sharehostern kino.to und megaupload.com zeigen, dass Plattformbetreiber, deren Geschäftsmodelle auf die massenhafte Verletzung geistigen Eigentums ausgerichtet sind, schon heute wirksam bekämpft werden können. Dennoch müssen die Regelungen zur Verantwortlichkeit von Hostprovidern überprüft und insoweit neu justiert werden, als es Rechteinhabern schneller als bisher und auch auf internationaler Ebene möglich sein muss, urheberrechtsverletzende Inhalte in einem geordneten und rechtsstaatlichen Verfahren von den Seiten eines Internetanbieters entfernen zu lassen. Außerdem muss sichergestellt sein, dass auf Seiten mit eindeutig urheberrechtsverletzenden Inhalten legal keine Werbeeinnahmen generiert werden dürfen.

10. Presseverleger sollen die unautorisierte Verwendung ihrer Presseerzeugnisse durch Dritte (z.B. News-Aggregatoren, Harvester) effizient verfolgen können. Ob es hierfür gesetzlicher Änderungen bedarf, ist zu prüfen. Von einer besseren Durchsetzung der Rechte für journalistische Inhalte könnten nicht zuletzt auch die Urheber profitieren. Die Einführung eines eigenen Leistungsschutzrechts in der derzeit diskutierten Form ist dazu aber nicht erforderlich. Denn freier Informationsfluss und die Funktionsfähigkeit von Suchmaschinen (oder Blogs und sozialen Netzwerken) ermöglichen erst das Auffinden von Informationen im Internet. Wir wollen nicht, dass dies durch den Schutz von Wortbeiträgen – unabhängig von ihrer Schöpfungshöhe – beeinträchtigt wird.

11. Die SPD steht für ein wissenschafts- und bildungsfreundliches Urheberrecht. Dafür müssen die Rahmenbedingungen angepasst werden. Wir brauchen ein Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Autoren, die ihre Beiträge neben der Verlagspublikation z.B. auf den Seiten der Hochschule zugänglich machen wollen. Wir treten außerdem für eine Überprüfung der Bildungs- und Wissenschaftsschranken ein. Insbesondere die Intranetnutzung in Schulen und Hochschulen muss dauerhaft auf eine rechtssichere Grundlage gestellt und die Schrankenbestimmung für die öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung entfristet werden.

12. Die Digitalisierung von kulturellen Werken ist ein Baustein für den Erhalt und das Zugänglichmachen des kulturellen und wissenschaftlichen Erbes. Rechtsunsicherheit bei der Digitalisierung entsteht jedoch dann, wenn der Urheber bzw. seine Erben oder der Rechteinhaber nicht mehr auffindbar sind. Hat eine sorgfältige Suche nach dem Rechteinhaber ergeben, dass dieser nicht feststellbar ist, soll gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung die Lizensierung durch Verwertungsgesellschaften ermöglicht werden. Auf diese Weise können verwaiste oder vergriffene Bücher online zugänglich erhalten werden, die sonst aus dem kulturellen Bewusstsein zu verschwinden drohen.

mehr

Schnelles Internet für alle

SPD-Bundestagsfraktion erarbeitet Breitbandkonzept im Expertendialog

Beitrag von Martin Dörmann für das medienpolitische Magazin „pro media“ (Ausgabe 6 Juni 2012)

mehr

Phoenix-Runde zur Wirtschaftspolitik in Europa

Martin Dörmann diskutierte mit Wirtschaftsexperten

Am 22. Mai war Martin Dörmann als SPD-Wirtschaftspolitiker zu Gast in der Phoenix-Runde zum Thema „Deutschland boomt, Europa schwächelt – Wie lange geht das gut?“. Unter Moderation von Pinar Atalay diskutierte er mit Prof. Rudolf Hickel (Universität Bremen), Prof. Michael Hüther (Institut der deutschen Wirtschaft Köln) sowie der Journalistin Birgit Marschall (Rheinische Post).

Im Zusammenhang mit der Euro-Krise und der schwierigen wirtschaftlichen Situation vieler Länder in Europa forderte er eine aktive Wachstumspolitik und erläuterte die SPD-Positionen hierzu. Durch eine Umschichtung von EU-Mitteln sowie eine Finanztransaktionssteuer könnten Wachstumsimpulse ohne zusätzliche Schuldenaufnahme gesetzt werden. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit müsse konsequent bekämpft, der Finanzsektor stärker reguliert und an den Kosten beteiligt werden.

 

mehr