Artikel der Kategorie Berlin Depesche

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Reform der Medienordnung

Trotz eines Bahnstreiks folgten am 21. Mai rund 80 Fachleute der Einladung von Martin Dörmann und Lars Klingbeil ins Paul-Löbe-Haus des Bundestages. Die beiden Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion hatten im Rahmen des Projekts zur Reform der Medien- und Kommunikationsordnung einen weiteren Expertendialog organisiert, diesmal zum Thema „Kartellrecht und mediale Vielfaltsicherung“.

Für die publizistische Vielfalt tragen die Bundesländer Verantwortung, während der Bund die Gesetzgebungskompetenz für das allgemeine Wettbewerbsrecht hat, das auch für Medienunternehmen gilt. Wenn solche zusammenarbeiten oder fusionieren wollen, kann es zu Konstellationen kommen, in denen sich die Grundsätze des Kartellrechts und die Sicherung von Medienvielfalt in einem Zielkonflikt gegenüberstehen. Dies jedenfalls ist die Auffassung vieler Medienexperten, die im letzten Jahr an einer Branchenbefragung der SPD-Bundestagsfraktion teilgenommen haben.

So wird teilweise vorgetragen, dass sich angesichts einer stark veränderten Medienlandschaft mit neuen Technologien, Geschäftsmodellen und Playern auch die historisch gewachsenen Prüfsysteme einer Anpassung stellen müssten. So fielen beispielsweise neue Internetangebote wie WhatsApp, die geringen Umsatz mit hohen Nutzerzahlen und Reichweiten verbinden, durch das rein umsatzorientierte Prüfraster des Kartellamts hindurch. Gleichzeitig untersagte das Bundeskartellamt in der Vergangenheit aus wettbewerblichen Erwägungen ein medienpolitisch von vielen erwünschtes Gemeinschaftsprojekt wie „Germany’s Gold“, eine gemeinsame Online-Video-Plattform, auf der die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Filme, Serien und Dokumentationen anbieten wollten.

Die seit Frühjahr 2015 arbeitende Bund-Länder-Kommission zur konvergenten Medienordnung hat sich des Themas Vielfaltssicherung und Kartellrecht in einer eigenen Arbeitsgruppe angenommen und will dort Änderungsvorschläge erarbeiten.

Dr. Reinhart Binder, Martin Dörmann, Andreas Mundt und Prof. Boris Paal diskutierten mit rund 80 Fachleuten

Nach der Einführung von Martin Dörmann erläuterte Dr. Reinhart Binder, Rechtsdirektor des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb), die Position der ARD. Er betonte zunächst, Fernsehen bleibe auf absehbare Zeit das zentrale Leitmedium, so dass man nicht zu schnell die Gewichte des Medienkonzentrationsrechts verschieben dürfe, auch wenn die Fernsehzentrierung in der Ländermedienaufsicht weiterentwickelt werden müsse. Er sehe durchaus gesetzgeberischen Änderungsbedarf, damit sich die mediale Vielfaltsicherung durch die Länder auch im Wettbewerbsrecht des Bundes stärker abbilde. Insgesamt sei eine bessere Verschränkung der Ebenen nötig.

Der Präsident der Bundeskartellamts Andreas Mundt verwies darauf, dass sein Haus in der Praxis sehr viel abstimmungsfreudiger und flexibler sei als oft angenommen. Für ihn sei die Untersagung von Fusionen im Medienbereich ein impliziter Beitrag von Vielfaltssicherung. Publizistische Vielfaltsicherung sei bislang kein Prüfungspunkt, eine Einbeziehung  in das Wettbewerbsrecht könne auch überfrachtend wirken und die notwendige Einzelfallprüfung verkomplizieren. Anhand von konkreten Beispielen führte Präsident Mundt aus, dass die Marktabgrenzung und -kontrolle aus seiner Sicht effizient und flexibel funktioniere, so

dass kein unmittelbarer Handlungsbedarf für eine stärkere Berücksichtigung medienpolitischer Gesichtspunkte bestehe.

Prof. Dr. Boris Paal von der Universität Freiburg, der mit einer Studie zur Thematik habilitiert wurde, unterstrich wie Dr. Binder die Bedeutung besserer Abstimmung zwischen Bund und Ländern. Gleichzeitig müsse die Medienaufsicht der Länder neu justiert und die Fernsehzentrierung überdacht werden. Paal sah aber kein prinzipielles Problem in einer doppelten Rechtsprüfung auf Bundes- und Landesebene, da beide grundsätzlich unterschiedliche Zielrichtungen verfolgten. Er warnte davor, publizistische Ziele explizit ins Kartellrecht aufzunehmen, da dies die Rechtssystematik erheblich verändere und gewaltige Proteste hervorrufen würde. Die stärkere Berücksichtigung medialer Vielfalt im Kartellrecht sei auch ohne Rechtsänderung möglich. Bereits auf Grundlage bestehender Normen könnten nämlich stärker als bisher „außerökonomische Erwägensgründe“ in die Prüfungspraxis aufgenommen werden.

Die unterschiedlichen Ansätze der Podiumsteilnehmer wurden in der anschließenden Debatte aufgegriffen, die restriktive Position des Bundeskartellamtes wurde dabei teilweise kritisch hinterfragt. Auch das europäische Kartellverfahren gegen Google und die negative Entscheidung zur Fusion von Pro7Sat1 mit Axel Springer wurden angesprochen.

Moderator Martin Dörmann schloss den intensiven Dialog nach zweieinhalb Stunden mit dem Verweis auf zahlreiche Folgefragen. Grundsätzlich sei er der Meinung, dass die Unabhängigkeit des Bundeskartellamtes ein hohes Gut sei. Dennoch oder gerade deswegen müsse über neue Wege nachgedacht werden, um sinnvolle Medien-Kooperationen im Einzelfall auch unter dem Gesichtspunkt langfristiger Medienvielfalt prüfen zu können. Auszuloten seien dabei insbesondere Handlungsspielräume im europäischen Recht bezüglich möglicher nationaler Ausnahmefreistellungen im Kartellrecht.

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Sterbehilfe

Martin Dörmann ist Mitunterzeichner eines der vier Gesetzentwürfe

Plenardebatte zur Sterbehilfe. Ein schwieriges Thema, das viele Menschen bewegt. Es geht um den Schutz des Lebens aber auch der Menschenwürde. Wie darf ein Arzt helfen, wenn ein unheilbar Kranker leidet und erlöst werden will? Hierzu liegen dem Bundestag vier Gesetzentwürfe vor. Martin Dörmann unterstützt den seiner Fraktionskollegen Lauterbach, Reimann und Lischka. Er zielt darauf ab, das Strafrecht nicht zu verschärfen sondern stattdessen eine auch standesrechtliche Sicherheit für helfende Ärzte zu geben. Die Regelung entspräche dem Willen einer deutlichen Mehrheit der Bevölkerung, die ein würdiges Sterben ohne Angst vor Schmerzen und Kontrollverlust wünscht.

Mittlerweile erspart die Palliativmedizin Menschen in ihrer letzten Lebensphase Schmerzen, lindert Atembeschwerden und leistet psychologische Hilfe. Ebenso werden todkranke Menschen einfühlsam in Hospizen beim Sterben begleitet. Beides will die Große Koalition durch ein Gesetz flächendeckend in Deutschland stärken. Dennoch gibt es Menschen, die bei einer Erkrankung, die unweigerlich zum Tode führt, die Behandlung als belastend oder unwürdig empfinden und den Zeitpunkt ihres Ausscheidens aus dem Leben selbst bestimmen wollen.

Dabei suchen sie teilweise Hilfe zur Beschaffung eines tödlichen Mittels durch nahe Angehörige, Freunde oder einen Arzt. Zudem gibt es immer mehr Sterbehilfevereine, die in Deutschland Unterstützung anbieten. Über diese so genannte Sterbehilfe will der Bundestag noch in diesem Jahr entscheiden. Dabei geht es darum, ob für Angehörige, Freunde, Ärzte oder Sterbehilfevereine diese Beihilfe zum Selbstmord straffrei bleiben soll.

Für den ARD-Deutschland Trend ist 2014 ermittelt worden, dass 46 Prozent der Bevölkerung dafür sind, die Beihilfe zur Selbsttötung nicht unter Strafe zu stellen. 37 Prozent würden sogar die aktive Sterbehilfe, bei der eine Person dem sterbewilligen Menschen ein tödliches Mittel verabreicht, zulassen wollen. Von den 10.000 jährlich verübten Selbstmorden in Deutschland gehen laut Schätzungen rund 500 auf die Einnahme eines durch Sterbehelfer bereitgestellten Mittels zurück.

Mittlerweile liegen aus der Mitte des Parlaments vier Gesetzentwürfe vor, hinter denen nicht die Fraktionen, sondern fraktionsübergreifende Gruppen von Abgeordneten stehen. Wie üblich in einer solchen ethischen Frage besteht keine Fraktionsdisziplin. Über die Gesetzentwürfe hat der Bundestag am 2. Juli in erster Lesung beraten. Alle eint, dass die aktive Sterbehilfe weiterhin strafbar bleibt. Die endgültige Entscheidung ist für Herbst geplant.

Die aktuelle rechtliche Situation in Deutschland:

Die passive Sterbehilfe (Sterbenlassen durch Unterlassen oder Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen) ist erlaubt, wenn sie dem erklärten Willen des Patienten entspricht.

Indirekte Sterbehilfe (Inkaufnahme eines verfrühten Todes aufgrund einer schmerzlindernden Behandlung im Einverständnis mit dem Betroffenen) ist zulässig.

Assistierter Suizid (Hilfe bei der Selbsttötung etwa durch Bereitstellen eines Mittels, das der Patient selbst zu sich nimmt) ist nicht verboten, kann aber strafbar sein als Mitwirkung an einem nicht freiverantwortlichen Suizid. Ein Strafbarkeitsrisiko besteht zum Beispiel, wenn der Arzt die Rettung eines handlungsunfähig gewordenen Sterbenden unterlässt.

Die aktive Sterbehilfe (Töten auf Verlangen zum Beispiel mithilfe einer tödlichen Substanz) ist als Tötung auf Verlangen strafbar. Sie ist weltweit nur in wenigen Ländern erlaubt, etwa in Belgien.

Diese vier Gesetzentwürfe liegen vor:

(1) Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung

Die bislang meisten Mitzeichner hat ein Gesetzentwurf (Drucksache 18/5373) mit insgesamt neun Initiatoren: Kerstin Griese, Eva Högl (beide SPD), Michael Brand, Michael Frieser, Claudia Lücking-Michel, Ansgar Heveling (alle CDU/CSU), Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak (beide Linke), Elisabeth Scharfenberg und Harald Terpe (beide Grüne).

Der Gesetzentwurf verfolgt das Ziel, dass der assistierte Suizid nicht zu einer „gesundheitlichen Dienstleistung“ wird. Dadurch, dass zunehmend Einzelpersonen oder Vereine, die Beihilfe zur Selbsttötung durch die Bereitstellung oder Beschaffung eines tödlichen Medikaments regelmäßig anbieten würden, drohe eine gesellschaftliche „Normalisierung“ oder ein „Gewöhnungseffekt“ gegenüber organisierten Formen des assistierten Suizids, heißt es im Gesetzentwurf. Insbesondere alte und/oder kranke Menschen könnten sich gedrängt fühlen, von diesen Angeboten Gebrauch zu machen. Deshalb sollen auch nichtkommerzielle, aber geschäftsmäßige, also auf Wiederholung angelegte Handlungen strafrechtlich verboten werden. Dafür soll ein Straftatbestand im Strafgesetzbuch eingeführt werden, der die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt.

Geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung soll mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden. Suizidhilfe, die „im Einzelfall in einer schwierigen Konfliktsituation gewährt wird“, wird nicht kriminalisiert, unabhängig davon, ob die Suizidhelfer Angehörige, Ärztinnen und Ärzte oder andere Personen sind. Insbesondere sind individuelle ärztliche Entscheidungen am Lebensende auch weiterhin möglich.

Ein vollständiges strafbewehrtes Verbot wird abgelehnt, weil es „politisch nicht gewollt“ und mit den „verfassungspolitischen Grundentscheidungen des Grundgesetzes kaum zu vereinbaren“ sei.

(2) Regelung der ärztlich begleiteten Lebensbeendigung

Initiatoren eines anderen  Gesetzentwurfes (Drucksache 18/5374) sind: Carola Reimann, Karl Lauterbach und Burkhard Lischka (alle SPD) sowie die vier Unionsabgeordneten Peter Hintze, Katherina Reiche, Kristina Schröder und Dagmar Wöhrl.

Sie wollen das vertrauensvolle Arzt-Patienten-Verhältnis vor rechtlichen Sanktionen schützen. Derzeit besteht eine Rechtsunsicherheit für Ärztinnen und Ärzte sowie ihre Patientinnen und Patienten, weil das ärztliche Standesrecht in 10 von 17 Ärztekammerbezirken jede Form der Hilfestellung beim selbstvollzogenen Suizid ihrer Patienten untersagt.

Deshalb sieht der Gesetzentwurf vor, im Bürgerlichen Gesetzbuch zu verankern, dass ein „volljähriger und einwilligungsfähiger Patient, dessen unheilbare Erkrankung unumkehrbar zum Tod führt (…) zur Abwendung eines krankheitsbedingten Leidens die Hilfestellung eines Arztes bei der selbst vollzogenen Beendigung seines Lebens in Anspruch nehmen“ kann. Dies soll jedoch nur dann möglich sein, wenn der Patient es ernsthaft und endgültig wünscht, eine ärztliche Beratung über andere Behandlungsmethoden und über die Suizidassistenz stattgefunden hat, die Erkrankung unumkehrbar ist und wahrscheinlich zum Tod führt – was ebenso wie der Patientenwunsch und seine Einwilligungsfähigkeit durch einen zweiten Arzt bestätigt werden muss.

Die Hilfe durch den Arzt muss freiwillig sein. Die Entscheidung über den Zeitpunkt, die Art und den Vollzug seines Suizids muss der Patient treffen. Der Vollzug muss unter medizinischer Begleitung erfolgen. Mit dieser Regelung wollen die Initiatoren des Gesetzentwurfs Sterbehilfevereinen und Personen, die Sterbehilfe anbieten, die Grundlage entziehen.

Viele Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern hätten bestätigt: „Die Menschen wollen nicht, dass der Staat mit neuen Verboten in den sensiblen Bereich zwischen Leben und Tod eingreift“, berichtete die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende und Mitinitiatorin des Gesetzentwurfes Carola Reimann. Sie wollten sich nicht vorschreiben lassen, „wie viel Leid und Kontrollverlust sie ertragen müssen“. Mit dem Gesetzentwurf werde das Regelungschaos der 17 Ärztekammerbezirken beseitigt und Rechtssicherheit für Ärzte und Patienten geschaffen. Die klare Botschaft sei: „Niemand muss ins Ausland fahren, niemand muss sich an medizinische Laien und selbsternannte Sterbehelfer wenden“. Es werde ermöglicht, dass sich Menschen in großer Not ihrem Arzt anvertrauen können, weil er den Patienten kenne und fachlich am besten informieren könne – dazu gehöre auch die Palliativmedizin, stellte Reimann klar. Deshalb stelle der Gesetzentwurf das Arzt-Patienten-Verhältnis ins Zentrum. Das schade Sterbehilfevereinen mehr als Strafrechtsparagraphen.

(3) Straffreiheit der Hilfe zur Selbsttötung

Ein weiterer Gesetzentwurf stammt von Renate Künast, Kai Gehring (beide Grüne) und Petra Sitte (Linke). Dieser schreibt explizit fest, dass Hilfestellung bei der Selbsttötung nicht strafbar ist.

Dieser Gesetzentwurf (Drucksache 18/5375) will Rechtsunsicherheiten in der Bevölkerung und bei Ärztinnen und Ärzten beseitigen. Gewerbsmäßige, „also auf Gewinnerzielung ausgerichtete Hilfe zur Selbsttötung“ wird verboten. Wer dagegen verstößt, wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe belegt. Hilfe zur Selbsttötung z. B. durch einen Sterbehilfeverein soll nur dann angeboten werden dürfen, wenn dafür lediglich die Kosten erstattet werden sollen.

Ärzte und Vereine, die um Hilfe bei einem Suizid gebeten werden, müssen den sterbewilligen Menschen in einem umfassenden und ergebnisoffenen Gespräch über seinen Zustand aufklären, Möglichkeiten der medizinischen Behandlung und Alternativen zur Selbsttötung – insbesondere palliativmedizinische – aufzeigen, weitere Beratungsmöglichkeiten empfehlen und auf Folgen eines fehlgeschlagenen Suizidversuchs hinweisen. Die Beratung ist zu dokumentieren. Zwischen dem Beratungsgespräch und der Durchführung des Suizids müssen mindestens 14 Tage liegen. Voraussetzung zur Hilfe bei der Selbsttötung ist, dass der oder die Sterbewillige volljährig ist und freiverantwortlich handeln kann. Ärzte sollen explizit Beihilfe zum Suizid leisten dürfen, ohne dass ihnen Nachteile entstehen. Verstöße gegen die Beratungs- und Dokumentationspflichten können jedoch wiederum strafrechtlich sanktioniert werden.

(4) Strafbarkeit der Teilnahme an der Selbsttötung

Thomas Dörflinger und Patrick Sensburg (beide CDU/CSU) wollen mit ihrem Gesetzentwurf (Drucksache 18/5376) für die Suizidhilfe einen Straftatbestand schaffen: „Wer einen anderen dazu anstiftet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis fünf Jahren bestraft.“ Nur in „extremen Einzelsituationen, bei denen z. B. keine Schmerztherapie hilft und großes Leiden besteht“ soll mangels Schuld von einer Bestrafung abgesehen werden.

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Berlin Depesche Nr. 91

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Zukunftsinvestitionen

Nachtragshaushalt:  Großes Entlastungspaket für Kommunen

Nur wenn wir heute klug investieren, ist unser Land auch morgen noch gut aufgestellt. Deshalb bleibt es bei der im Koalitionsvertrag verankerten Maxime: Mehreinnahmen werden vorrangig für Investitionen eingesetzt.

Der Bundestag hat nicht zuletzt deshalb am 21. Mai einen Nachtragshaushalt für 2015 und ein Gesetz zur Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen und zur Entlastung von Ländern und Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern beschlossen (Drucksachen 18/4600, 18/4653). Damit werden die notwendigen Voraussetzungen für die Investitionsoffensive geschaffen und die Kommunen gestärkt.

Sieben Milliarden Euro für Zukunftsinvestitionen werden mit dem Nachtragshaushalt auf konkrete Politikbereiche aufgeteilt. Damit können die verantwortlichen Ministerien schon im laufenden Jahr mit der konkreten Umsetzung beginnen. Besonders profitiert die Verkehrsinfrastruktur, in die über drei Milliarden Euro zusätzlich investiert werden. Insgesamt 1,1 Milliarden Euro zusätzlich fließen in die Unterstützung des flächendeckenden Breitbandausbaus. Weitere Schwerpunkte sind Energieeffizienz und Klimaschutz: rund 700 Millionen Euro für den Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz, rund 500 Millionen Euro für das Marktanreizprogramm Energieeffizienz, 200 Millionen Euro für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm und 450 Millionen Euro für die Nationale Klimaschutzinitiative.

Für die Kommunen bringen die beiden Gesetze Entlastungen in Milliardenhöhe. 3,5 Milliarden Euro werden für einen Kommunalinvestitions­förderungsfonds bereitgestellt, der es insbesondere finanzschwachen Kommunen ermöglicht, in Infrastruktur, Bildung und Klimaschutz zu investieren. Der Bund übernimmt dabei 90 Prozent der Investitionskosten, die Kommunen sollen einen Eigenanteil von zehn Prozent leisten. Da Investitionen in besonders klammen Kommunen selbst an diesem Anteil scheitern würden, haben die Koalitionsfraktionen im Bundestag die Möglichkeit eingebaut, den Zehn-Prozent-Anteil auch durch die Länder oder Vorfinanzierung abdecken zu lassen. Auf Anregung des Bundesrates haben die Koalitionsfraktionen zudem die Förderbereiche noch ausgeweitet, damit die Kommunen möglichst flexibel sind. Welche Kommunen als finanzschwach gelten, legen die Länder fest. Die Bundesmittel werden auf die Länder nach einem Schlüssel aufgeteilt, der die Bedürftigkeit widerspiegelt (je 1/3 Einwohnerzahl, Höhe der Kassenkredite und Anzahl der Arbeitslosen).

Sanierung kommunaler Einrichtungen

Neben dem Kommunalinvestitionsfonds kommt es zu einer Aufstockung der bereits beschlossenen Entlastung der Kommunen. Für 2015 und 2016 beträgt die Entlastung wie vorgesehen 1 Milliarde Euro, für 2017 aber dann 1,5 Milliarden mehr, also insgesamt 2,5 Milliarden Euro. Darüber hinaus werden Länder und Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern in den Jahren 2015 und 2016 um jeweils 500 Millionen Euro entlastet. Durch Umschichtungen im Nachtragshaushalt ist es ferner gelungen, ein Programm aufzulegen zur Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur. Dafür stehen in den nächsten drei Jahren 140 Millionen Euro bereit.

Mit umfangreichen Maßnahmen werden im Nachtragshaushalt auch die Ergebnisse eines „Flüchtlingsgipfels“ umgesetzt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erhält 750 neue Stellen und entsprechende Finanzmittel, um die steigenden Asylbewerberzahlen bewältigen zu können, das Auswärtige Amt 29 neue Stellen und Geld für die Beschäftigung von 31 Ortskräften in den Botschaften und Konsulaten. Im Bereich des Bundesinnenministeriums gibt es 5 Millionen Euro mehr für die Bundespolizei und 25 Millionen Euro für Deutschkurse.

Der Haushaltsausschuss hat darüber hinaus 12 Millionen Euro beim Bundesfamilienministerium bewilligt: 8 Millionen Euro für Jugendmigrations­dienste und 4 Millionen Euro für Sprachkurse für akademisch qualifizierte Flüchtlinge.

Zuschussprogramm für Einbruchssicherung

Der Haushaltsausschuss hat auch ein neues Zuschussprogramm „Kriminalprävention durch Einbruchsicherung“ in Höhe von 30 Millionen Euro aufgelegt, die zusätzlich in den Etat von Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) einfließen. Damit wird ein Beschluss der Geschäftsführenden Vorstände der Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und SPD vom 16. April 2015 umgesetzt. Die SPD-Bundestagsfraktion hatte in den vergangenen Wochen an einer Fördermöglichkeit gearbeitet, die möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern zu Gute kommt. Das Ziel war eine staatliche Förderung, die bereits bei geringen Investitionssummen greift und sich beim Thema Sicherheit somit um alle kümmert.

Dass es bei dem neuen Förderprogramm nicht um die Finanzierung teurer Alarmanlagen für Villen, sondern um ein sichereres Wohnen für jeden Einzelnen geht, machen die festgelegten Eckpunkte für die Förderrichtlinien deutlich: Die Förderung wird durch Zuschüsse zu den Materialkosten erfolgen und kann zusätzlich zur steuerlichen Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen in Anspruch genommen werden. 20 Prozent der Investition werden vom Staat bezuschusst, die Summe ist auf 1500 Euro pro Antrag gedeckelt. Das Mindestvolumen der zu fördernden Maßnahme beträgt 500 Euro.

Die Olympiabewerbung Hamburgs wird mit 30 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt unterstützt – wichtiger Rückenwind für die Hansestadt, die als deutscher Bewerber ins Rennen um die Spiele 2024 geht.

Auch eine SPD-Forderung aus der letzten Wahlperiode konnte jetzt gemeinsam mit dem Koalitionspartner umgesetzt werden. Ehemalige sowjetische Kriegsgefangene erhalten einen symbolischen finanziellen Anerkennungsbetrag für das nationalsozialistische Unrecht, das sie erleiden mussten. Dafür stehen im Bundeshaushalt insgesamt 10 Millionen Euro zur Verfügung.

Johannes Kahrs, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sagt: „Dank nachhaltiger Finanzpolitik und vernünftigem Haushalten waren wir beim Nachtragshaushalt erneut in der Lage, aus einem guten Entwurf der Regierung ein noch besseres Ergebnis zu machen. Investitionen für wichtige Projekte konnten wir noch einmal mit zusätzlichem Geld stärken.“

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Flüchtlingshilfe

„Gemeinsam und gerecht handeln“

„Deutschland ist ein starkes, auch sehr mitfühlendes Land“, stellte Sigmar Gabriel Anfang Mai bei der Vorstellung eines Parteivorstandsbeschlusses zur Flüchtlingshilfe fest. Damit das auch in Zukunft so bleibt, hat die SPD ein Maßnahmenpaket vorgelegt, mit dem die Herausforderung hoher und weiter steigender Flüchtlingszahlen in den Kommunen vor Ort gemeistert werden soll.

Die Leistungen, die in diesen Wochen von Ländern, Kommunen und vor allem den vielen ehrenamtlich Engagierten bei der Unterbringung und Versorgung erbracht werden, seien aller Anerkennung wert, so Gabriel. Darüber könnten auch einzelne Angriffe von Rechtsradikalen nicht hinwegtäuschen. „Wenn wir uns das erhalten wollen, dann dürfen wir in den Städten und Gemeinden nicht zu einer Situation kommen, in der die Kommunen für die gesetzliche Pflichten zur Flüchtlingsunterbringung ihr Geld ausgeben und kein Geld mehr haben für den Bau von Kindertagesstätten, den Schulausbau, den Erhalt von Kultur oder sozialer Daseinsvorsorge“, warnte der SPD-Vorsitzende.

Mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket will die SPD dafür sorgen, dass Bund, Länder und Kommunen die Herausforderung der steigenden Flüchtlingszahlen gemeinsam und fair verteilt tragen. Das Paket sieht sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene zahlreiche Verbesserungen vor.

Die SPD plädiert für ein Umdenken in der europäischen Flüchtlingspolitik. „Es kann nicht sein, dass die Europäische Union diese Schande endlos fortsetzt und wir auf Grenzen von Seekarten unsere Mitmenschlichkeit enden lassen“, kritisiert der SPD-Vorsitzende die mageren Beschlüsse des letzten Gipfels der europäischen Staats- und Regierungschefs. Seenotrettung sei eine zentrale Aufgabe. Die SPD fordert ein gemeinsames europäisches Rettungsprogramm, das mindestens dem Umfang des italienischen „Mare Nostrum“-Programms entspricht – finanziell wie auch in der geographischen Reichweite.

Die SPD setzt sich für sichere, legale Einreisewege nach Europa und eine konsequente Bekämpfung der Schleuser- und Schlepperkriminalität ein.

Insgesamt muss Europa endlich eine solidarische Verantwortungsteilung bei der Aufnahme von Asylbewerbern organisieren. „Es kann nicht sein, dass Europa auf Dauer nicht zu einer fairen Verteilung von Flüchtlingen kommt. Dublin II ist gescheitert“, sagte Gabriel. Die SPD fordert ein gerechtes System, damit künftig nicht mehr fünf Mitgliedstaaten – unter ihnen Deutschland – dreiviertel der Flüchtlinge in Europa aufnehmen. „In Europa müssen faire Quoten bei der Aufnahme von Flüchtlingen und ggf. ein finanzieller Ausgleich praktisch umgesetzt werden“, heißt es in dem Beschluss.

Zu einer effektiven Flüchtlingspolitik gehört auch eine nachhaltige Bekämpfung der Fluchtursachen. Damit Frauen, Männer und Kinder nicht mehr gezwungen sind, ihre Heimatländer zu verlassen.

Notwendig ist eine strukturelle Beteiligung des Bundes an den Ausgaben für die Flüchtlingsunterbringung. Konkret geht es um die Unterbringungs-, Versorgungs- und Gesundheitskosten. Hier brauchen die Kommunen dringend finanzielle Unterstützung. Aber auch die Länder sind gefordert. Auch sie können einen weiteren Beitrag leisten, etwa bei der Beschleunigung ihrer Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Gemeinsam mit dem Bund soll auch die freiwillige Rückkehr von ausreisepflichtigen Ausländern gefördert werden.

Insbesondere minderjährigen Flüchtlingen soll eine Perspektive gegeben werden. Deshalb will die SPD ihnen für die Dauer einer Ausbildung einen sicheren Aufenthaltsstatus geben. Eine Forderung, die ausdrücklich auch von Handwerk und Industrie geteilt wird. 
Insgesamt brauchen Kinder und Jugendliche, die allein nach Deutschland geflohen sind unseren besonderen Schutz und Fürsorge. Deshalb unterstützt der SPD-Parteivorstand den Gesetzentwurf von Familienministerin Manuela Schwesig zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher.

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Berlin Depesche Nr. 90

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Infrastruktur

Neue Milliarden für Verkehrswege, Breitband und kommunale Entlastungen

Die SPD bleibt verlässlicher Partner der Kommunen und steht für eine Politik, die wirtschaftliche Vernunft und den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur verknüpft. An diesem Kurs halten wir Sozialdemokraten fest. Das belegen auch die aktuellen Eckwerte zum Bundeshaushalt 2016 und die Finanzplanung bis 2019. Darin verbinden wir solide Staatsfinanzen mit mehr Investitionen in Bildung, öffentliche Infrastruktur, Energieeffizienz und Städtebau sowie einer spürbaren Entlastung für die Kommunen.

Die SPD-Fraktion hat dafür gesorgt, dass nun die Mittel für Investitionen und Kommunen nochmals deutlich um insgesamt 15 Milliarden Euro angehoben werden.

Die jährliche Entlastung der Kommunen steigt bereits ab 2017 um weitere 1,5 Milliarden Euro auf insgesamt 2,5 Milliarden Euro, um dann 2018 mit 5 Milliarden Euro ihre volle Höhe zu erreichen.

Um Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen zu unterstützen, stellen wir darüber hinaus 2015 und 2016 insgesamt eine Milliarde Euro zur Verfügung. Perspektivisch setzt sich die SPD dafür ein, dass der Bund die vollen Kosten für Unterbringung von Flüchtlingen übernimmt.

Um die Investitionskraft finanzschwacher Städte und Gemeinden zu stärken, wird zusätzlich ein kommunaler Investitionsfonds von 3,5 Milliarden Euro aufgelegt. Die SPD hat durchgesetzt, dass die Mittel bis 2018 zielgenau in Abhängigkeit von Arbeitsmarktsituation, Kassenkrediten und Bevölkerungszahl ausgeschüttet werden. So wird dafür gesorgt, dass auch Kommunen mit angespannter Kassenlage in ihre wirtschaftliche Zukunft investieren können.

Die Mittel kommen gemessen an der Einwohnerzahl weit überproportional den Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen zugute. Über 32 % des beschlossenen Sondervermögens für kommunale Investitionen fließen nach NRW. Das bedeutet, dass alleine hier etwa 1,2 Milliarden Euro für zusätzliche Investitionen zur Verfügung gestellt werden. Ergänzt werden diese Mittel durch einen lediglich 10-prozentigen Eigenanteil des Landes oder der antragstellenden Kommunen. Förderbereiche sind zum Beispiel Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Klimaschutz.

Mehr Mittel gibt es auch für die öffentliche Infrastruktur, und zwar sowohl für bessere Verkehrswege als auch schnelles Internet. Die aktuellen Beschlüsse sehen dort insgesamt zusätzliche Investitionen von über 4,3 Milliarden Euro vor. Unterm Strich erhöhen sich die Haushaltsmittel für Investitionen in die Infrastruktur doppelt so stark, wie ursprünglich im Koalitionsvertrag vorgesehen.

Alleine in den Breitbandausbau fließt mindestens eine Milliarde Euro aus dem Investitionspaket. Hinzu kommen teilweise die Erlöse aus der Versteigerung von Frequenzen, die Ende Mai stattfindet. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass am Ende doch noch insgesamt rund drei Milliarden Euro zusätzliche Fördergelder zur Verfügung stehen könnten, um den flächendeckenden Ausbau von Hochleistungsnetzen bis 2018 umzusetzen. Für dieses Ziel hatte ich mich bei den Koalitionsverhandlungen 2013 in besonderer Weise eingesetzt. Leider war damals der Finanzierungsteil in der letzten Sitzung aufgrund der begrenzten Finanzmittel gekippt worden. Nun gibt es Grund zur Zuversicht, dass wir endlich die Voraussetzungen dafür schaffen werden, die digitale Spaltung in unserem Land zu überwinden. Im Sommer werden wir endgültige Klarheit über den Finanzrahmen und mögliche Förderkonzepte haben.

Höhere Investitionen gehen auch in Energieeffizienz, Klimaschutz und Städtebau. Die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Energieeffizienz wird mit zusätzlichen 1,2 Milliarden Euro vorangetrieben. Die Mittel für den Klima- und Hochwasserschutz sowie den Städtebau werden um über eine Milliarde Euro aufgestockt. Die SPD-Fraktion hat zudem erreicht, dass die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen der ODA-Quote bis 2019 deutlich um rund 8,3 Milliarden Euro aufwachsen. Auch werden mehr Mittel bereitgestellt, um die nationalen Sicherheitsbehörden beim Schutz gegen Terror besser aufzustellen.

Alles in allem lassen also auch die aktuellen Haushaltsbeschlüsse eine klare sozialdemokratische Handschrift erkennen.

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Berlin Depesche Nr. 89

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Meinungsfreiheit

Rahmenbedingungen für Journalismus stärken

Die Digitalisierung der Medien, veränderte Rahmenbedingungen für die Finanzierung von Journalismus sowie demokratiefeindliche Strukturen in vielen Ländern der Erde sind heute die wesentlichen Herausforderungen für journalistische Arbeit.

Wir leben in einer Welt der Beschleunigung. Rasante technologische und gesellschaftliche Veränderungen, die Globalisierung und eine Informationsexplosion prägen unsere Zeit. Medial vermittelte Informationen werden hierdurch immer wichtiger. Nicht selten entwickeln sie eine eigene politische Wirkung, etwa mit Blick auf Demokratiebewegungen oder komplexe internationale Krisen. Die Bedeutung von unabhängiger Berichterstattung, Recherche und Einordnung wurde hierdurch noch einmal deutlich gesteigert. Die Sicherung von Meinungsfreiheit und Medienvielfalt muss deshalb ein zentrales gesellschaftspolitisches Ziel sein.

Politik sollte deshalb nachhaltig daran mitwirken, die Rahmenbedingungen für kritischen und einordnenden Journalismus zu stärken. Sowohl die Kommunikationswege als auch die relevanten Akteure der Informationsvermittlung werden immer vielfältiger. Doch nicht immer hält die Qualität mit dem Zuwachs an Quantität Schritt. Gleichzeitig gibt es kritische Tendenzen einseitiger Marktmacht, insbesondere durch global agierende Internetkonzerne, die unser Kommunikationsverhalten wesentlich mitprägen.

Konvergenz bedingt Reform der Medien- und Kommunikationsordnung

Auf die Konvergenz der Medien müssen auch im nationalen Rahmen neue Antworten gefunden werden. Durch die Digitalisierung wachsen Informations- und Kommunikationstechnologien und damit bisher weitgehend voneinander getrennte Einzelmedien immer mehr zusammen. Verbreitungswege über Print, Funk und das Internet greifen zunehmend ineinander. Bei der Informationsvermittlung oder -auffindung sind neue Plattformen, Akteure und „Intermediäre“ hinzugekommen, von Bloggern, sozialen Netzwerken und Newsaggregatoren bis hin zu Google als übermächtige Suchmaschine eines Unternehmens, das in immer mehr Lebensbereiche vordringt und nicht nur Daten, sondern auch Geschäftsfelder miteinander verknüpft.

Technologischer Fortschritt, ein verändertes Nutzerverhalten und neue Geschäftsmodelle haben den Medien- und Kommunikationsmarkt stark verändert. Die Dynamik dieser Entwicklung birgt einerseits enorme wirtschaftliche Wachstumspotenziale und gesellschaftspolitische Chancen der Teilhabe. Die Angst der Despoten der Welt vor den sozialen Netzwerken zeugt davon. Zugleich beobachten wir, dass bisherige Garanten für mediale Qualität und Vielfalt in der analogen Welt zurückfallen, ohne dass sich im Netz bislang im erforderlichen Umfang wirtschaftlich tragfähige Strukturen zur Finanzierung von redaktionell verantwortetem und qualitativ anspruchsvollem Journalismus entwickelt haben. Oftmals werden Online-Angebote von Zeitungen weiterhin durch Einnahmen im Printbereich querfinanziert.

Vor diesem Hintergrund ist die historisch gewachsene Medien- und Kommunikationsordnung in Deutschland unter Reformdruck. Dem wollen Bund und Ländern nun mit einer gemeinsamen Kommission begegnen. Deren Ziel ist in erster Linie, sinnvolle Anpassungen und Kompatibilitätsregeln an den Schnittstellen von Medienaufsicht, Telekommunikationsrecht und Wettbewerbsrecht zu verabreden.

Die Gestaltung der Medienordnung und die Vielfaltsicherung sind nach unserer Verfassungsordnung Länderzuständigkeit. Beide Aspekte werden aber faktisch immer mehr von internationalen Entwicklungen oder von Rechtsbereichen beeinflusst, bei denen der Bund eine Regelungskompetenz besitzt. Notwendig ist deshalb ein übergreifender Ansatz. Medien- und Netzpolitik haben eine für die Demokratie grundlegende gesellschaftspolitische Dimension, die vom Bund und von den Ländern gemeinsam gedacht und gestaltet werden sollte. Wünschenswert wäre es deshalb, wenn die Bund-Länder-Kommission nicht nur rechtlich-kompetenzorientiert vorgeht, sondern ein wirklich gemeinsames Verständnis entwickelt, konkrete Ziele definiert und Umsetzungsschritte vereinbart.

Die Bundesländer haben in einem vielbeachteten Gutachten erste Ansätze und Themenfelder skizziert, die im Rahmen der Bund-Länder-Kommission ausgearbeitet werden sollen. Die SPD-Bundestagsfraktion begleitet diesen komplexen Prozess mit einem eigenen Projekt und hat als ersten Schritt im letzten Jahr eine umfassende Branchenbefragung zu Handlungsfeldern für eine Reform der Medien-und Kommunikationsordnung vorgelegt.

Im Mittelpunkt sollte stehen, auch in der digitalen Medienwelt Qualität und Vielfalt zu sichern. Medien sind Voraussetzung für die private und öffentliche Meinungsbildung und damit Grundpfeiler einer lebendigen und funktionierenden Demokratie.

Globalen Bedrohungen der Meinungs- und Pressefreiheit begegnen

Auch international steht der Journalismus vor großen Herausforderungen. Jeden Tag erfahren wir Neues, zumeist Beunruhigendes aus den Krisenregionen dieser Welt. Krisen werden dem Empfinden nach immer unübersichtlicher, einzelne Akteure zunehmend aggressiver. Das führt dazu, dass die mediale Darstellung und Vermittlung von Krisen und Positionen der jeweiligen Akteure umso wichtiger sind. Damit rückt die Rolle der Medien als unabhängige Informationsvermittler in den Fokus, die möglichst differenziert und ausgewogen berichten sollen – so zumindest in unserem, von den Grundwerten einer freiheitlich-demokratischen Ordnung geprägten Verständnis dieser Rolle.

Zugleich sind Journalistinnen und Journalisten in vielen Staaten und Krisenregionen Repressionen und Gefährdungen ausgesetzt, wie wir nicht zuletzt durch die wertvolle Arbeit von Organisationen wie Reporter ohne Grenzen wissen. Gerade weil sie eine kritische und unabhängige Sicht vertreten, werden sie zur Zielscheibe derer, die an einer wahrheitsgetreuen Berichterstattung kein Interesse haben. Journalisten wurden gezielt und auf teilweise bestialische Weise von IS-Terrormilizen umgebracht, die den Tod von Menschen medial über die sozialen Netzwerke inszenieren, um ihre, in ihrem Fundamentalismus pervertierte Ideologie zu verbreiten und neue Kämpfer zu rekrutieren.

Nicht zuletzt die Terroranschläge von Paris auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ haben uns allen die dringende Notwendigkeit vor allen Augen geführt, gemeinsam für die Presse- und Meinungsfreiheit einzustehen und diese immer wieder zu verteidigen. Diese Zielsetzung muss stärker denn je ein Leitbild deutscher Außen- und Medienpolitik sein.

In diesem Zusammenhang kommt unserem Auslandssender Deutsche Welle (DW) eine weiter gewachsene Rolle zu. Die DW ist eine wichtige Botschafterin für unser Land und für unsere Werte. Für viele Menschen vor Ort ist sie eine Stimme der Freiheit, der sie vertrauen. Auf allen Kontinenten kann man DW-Programme abrufen, sei es über TV, per Radio oder online, und zwar in insgesamt 30 unterschiedlichen Sprachen. Die Sprachenvielfalt und die hohe journalistische Qualität und Glaubwürdigkeit der Deutschen Welle genießen weltweit hohe Anerkennung.

Seit Ende der 1990er Jahre hat die DW allerdings einen schwierigen Einsparungsprozess durchgemacht. Der Etat ist vom Bund über viele Jahre kontinuierlich gekürzt worden, Personalkostensteigerungen wurden nicht ausgeglichen. In den Bundeshaushalten 2014 und 2015 hat die Große Koalition mit jeweils zweistelligen Millionenbeträgen den Etat endlich wieder erhöht. Nun kommt es darauf an, ab dem Haushalt 2016 wieder einen regelmäßigen Ausgleich der Kostensteigerungen abzubilden, damit die Deutsche Welle den von ihr eingeschlagenen Reformkurs erfolgreich absolvieren kann. Er zielt auf eine noch größere weltweite Relevanz, indem englischsprachige Angebote deutlich gestärkt werden – gerade auch angesichts wachsender internationaler Konkurrenzsender, etwa aus Russland oder China.

Alle Journalistinnen und Journalisten, die sich weltweit für eine unabhängige Berichterstattung einsetzen, verdienen unseren Respekt und unsere Unterstützung. Freie und vielfältige Medien sind eine Bedingung dafür, dass demokratische Kräfte gestärkt werden und Demagogen Einhalt geboten werden kann. Sie sind unverzichtbar.

 

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Medienordnung

Expertendialog der SPD-Fraktion zu Google und anderen „Intermediären“

Mit einem eigenen Projekt begleitet die SPD-Bundestagsfraktion Überlegungen zu einer Reform der Medien- und Kommunikationsordnung. Bestandteile sind u.a. eine umfangreiche Branchenbefragung, die bereits 2014 durchgeführt wurde, sowie ein regelmäßiger Dialog mit Experten. Im Koalitionsvertrag ist im Hinblick auf die konvergente Medienordnung eine Bund-Länder-Kommission vorgesehen, die im Frühjahr ihre Arbeit aufnehmen soll.

Federführend für das Fraktionsprojekt sind die SPD-Fraktionssprecher Martin Dörmann (Kultur und Medien) sowie Lars Klingbeil  (Digitale Agenda). Deren Einladung folgten Ende Februar rund 50 Medienexpertinnen und -experten aus ganz Deutschland um zum Thema „Intermediäre – Gatekeeper des Internet?“ zu diskutieren.

Ein von den Bundesländern in Auftrag gegebenes Gutachten hatte diese u.a. definiert als Akteure, die durch auswertende und aggregierende Aktivitäten mittelbar-inhaltliche Einflussnahmen begründen, etwa Suchmaschinen. Somit stand denn auch Google als Suchmaschine und als ein global operierendes Internet-Unternehmen im besonderen Fokus der Diskussion. Aufgeworfen wurde die Frage, inwieweit Gefahren der Markt- und Meinungsmacht eine strengere Regulierung notwendig machen. Dazu waren neben einem Vertreter von Google zwei namhafte Medienrechtler als Experten eingeladen.

Prof. Dr. Dieter Dörr, Medienrechtler aus Mainz, unterstrich in seinem einleitenden Statement, dass Suchmaschinen wie Google im übertragenen Sinne Bibliothekar, Verleger und Autor zugleich seien. Mit Verweis auf Forschungsprojekte an seinem Lehrstuhl erläuterte er den „Lock-In-Effekt“, der dazu führe, dass Nutzerinnen und Nutzer zunehmend abhängig von der wegleitenden Funktion Googles würden, was immerhin eine potenzielle Meinungsmacht des Anbieters unterstreiche.

Bei weit über 90% Marktanteil bei den Internetsuchen ist bei Google ein informationelles Monopol nicht fern. Dörr sah den Gesetzgeber in der Pflicht, für einen Ausgleich der Interessen zu sorgen, also medienrechtliche Vielfaltssicherung einzufordern, die eine Verzerrung von Inhaltedarstellungen erschwere. Hierzu müssten möglicherweise Regelungen für Inhaltevermittler gegen Diskriminierung, wie sie aus dem Rundfunkrecht bekannt sind, entsprechend erweitert werden.

Dies könne aber nur einen Teil des Problems lösen, zumal das Phänomen der Intermediäre wissenschaftlich und rechtlich bislang kaum solide greifbar sei. Bislang sei das Medienrecht zu stark am Rundfunk, das Wettbewerbsrecht zu stark an Umsätzen ausgerichtet. Statt entlang separater Rechtslinien müsse mehr über bestehende und möglicherweise veraltete Rechtsgrenzen hinausgedacht werden. Dörr plädierte für ein neues Medienvielfaltsrecht, welches an den Merkmalen „Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft“ ausgerichtet ist. Insbesondere die Verschränkung von verschiedenen Massenmedien stellten ein Problem für die Meinungsvielfalt dar, das dringend auch im Rechtsrahmen abgebildet werden müsse.

Prof. Dr. Gerald Spindler, Rechtswissenschaftler aus Göttingen, vertrat einen anderen Ansatz. Er verwies darauf, dass es kontinuierlicher Beobachtung der Suchmaschinen und der verbundenen Märkte bedürfe. Die hohe Dynamik in den digitalen Märkten, die von ständig neuen Diensten und Unternehmen geprägt würden, sprächen gegen eine gefestigte Marktmacht von Google. Die schnelle Veränderung der Kommunikationsstrukturen von sozialen Netzwerken über Twitter oder eben Google-Diensten lasse kaum noch eine rechtlich handhabbare Kategorisierung im Vorhinein zu.

Daher sei eine nachträgliche „Missbrauchskontrolle durch das Kartellrecht mit verstärkter Berücksichtigung von Meinungsbildung besser geeignet“, so Spindler. Starre rechtliche Unterscheidungen von Rundfunk, Presse und Internet seien angesichts einer konvergenten Medienwelt zunehmend nicht mehr haltbar.

Spindler verwies darauf, dass vor allem die Interessen Dritter in den Mittelpunkt der Intermediäre-Debatte gerückt werden müssten. Informationsinteressen von Personen/Unternehmen, die gefunden oder gerade nicht gefunden werden wollen, müssten viel stärker als bisher rechtlich geregelt und technisch möglichst einfach berücksichtigt werden. Gleichwohl könne ein Suchalgorithmus nicht neutral sein, da er auf möglichst relevante und personalisierte Suchergebnisse ziele. Vielmehr müssten die Programmierungsleitlinien transparent und diskriminierungsfrei sein.

Auch wenn der Begriff der Intermediäre weit mehr Anbieter als Google umfasst, so führt die Debatte doch immer wieder zum US-amerikanischen Internetriesen. Daher hatte auch Dr. Arnd Haller als europäischer Rechtsexperte des Konzerns die Gelegenheit, zum Thema Stellung zu nehmen.

Haller verwies darauf, dass Suchmaschinen bereits heute einer starken Regulierung, etwa im Datenschutz- oder Urheberrecht unterlägen. Eine noch stärkere Kontrolle müsse mit ganz akut zu schützenden Interessen gerechtfertigt werden, was aktuell jedoch faktisch nicht zu begründen sei. Google sei eben eine sehr erfolgreiche weil besonders nutzerorientierte Suchmaschine, die eben keine „Gatekeeper“, sondern vielmehr eine Türöffner-Funktion habe.

Mit Blick auf die Meinungsbildungsrelevanz verwies Haller darauf, dass aktuellen Studien zufolge das Internet immer noch weit hinter Fernsehen und Presse als Informationsleitmedium liege. Auch würden die allermeisten Internetseiten direkt über den Browser und nicht über die Google-Suche angesteuert. Dies gelte umso mehr für mobile Inhalte, die fast immer über Apps angesteuert würden. Somit sei es irreführend, vom Erfolg der Google-Suchmaschine mit über 90 % Marktanteil direkt auf ein Informationsmonopol zu schließen.

Haller wies die Ausdehnung der Rundfunkregulierung auf Internetdiensteanbieter mit dem Verweis zurück, dass Suchmaschinenvorgänge immer eine Form der Individualnutzung darstellten, wohingegen Rundfunk eben ein klassisches lineares Massenmedium mit einem Sender und fast beliebig vielen Empfängern sei.

In der anschließenden, lebhaft geführten Debatte mit den anderen eingeladenen Fachleuten wurde deutlich, wie schwer es angesichts einer unklaren Gefährdungsbewertung ist, den tatsächlichen Handlungsbedarf zu umreißen. Vielfach wurde auf die bereits laufenden kartellrechtlichen Verfahren gegen Google auf europäischer Ebene verwiesen, die möglicherweise auch Antworten auf die Marktmacht des Suchmaschinenanbieters liefern könnten. Deutlich wurde bei einigen Experten die Skepsis, ob bereits auf Basis abstrakter oder potenzieller Gefährdungen grundsätzliche Neuregelungen anzuschieben seien, während andere genau dies für ausreichend hielten, um Google in bestehende Regulierungsansätze einzubeziehen. Auch wurde in den Raum gestellt, ob sich medienrelevante Gefahren mit kartellrechtlichen Änderungen auflösen ließen. Es wurde darauf hingewiesen, dass das bisherige Wettbewerbsrecht, welche vor allem auf Umsätze fokussiert sei, im digitalen Raum möglicherweise zu kurz greife, wenn es um Marktmacht durch Reichweite gehe.

Martin Dörmann warnte angesichts der schieren Kaufkraft von Google vor globalen Daten- und Informationsmonopolen, die auch in einem sehr dynamischen Markt möglicherweise alles vorher Dagewesene überträfen. In seinem Abschlussstatement verwies er auf die durchaus plausiblen Ausgangsthesen aller Teilnehmer, deren Gewichtung und Bewertung eine besondere Herausforderung darstelle.

Das Format eines Expertendialogs könne helfen, die parallel stattfindenden Bund-Länder-Verhandlungen zur Neugestaltung der Medien- und Kommunikationsordnung positiv zu beeinflussen. Weil „Problem und Regelungstiefe“ im Zusammenhang stünden und eine abschließende Bewertung offensichtlich schwerfalle, habe die Veranstaltung aufgezeigt, wie wichtig es sei, die Debatte mit einem übergreifenden Ansatz zu führen, der Wettbewerbs-, Internet- und Medienrecht zusammen denke.

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