Artikel der Kategorie Berlin Depesche

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SPD-Bildungsoffensive

Martin Schulz: „Gerechtigkeit fängt bei der Bildung an“

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz will bei einem Wahlsieg Milliarden Euro in Bildung investieren. „Ich möchte, dass Deutschland das weltweit stärkste Land in der Bildung wird“, sagte er in Berlin. Bildungspolitik sei „die entscheidende Weichenstellung“, um die Zukunftsfähigkeit der Bundesrepublik zu sichern.

Martin Schulz schlägt einen nationalen Bildungspakt mit Milliardeninvestitionen in Schulen und mehr Zuständigkeiten für den Bund vor. Die OECD-Industriestaaten würden für Bildung insgesamt im Schnitt 5,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausgeben, Deutschland aber nur 4,3 Prozent. „Wir sind nicht mal Durchschnitt“, sagte Schulz bei einer Diskussionsrunde mit Schülerinnen und Schülern sowie Lehrerinnen und Lehrern im Berliner Bezirk Neukölln. Diesen Rückstand will Schulz aufholen. Noch besser wäre, das skandinavische Spitzenniveau zu erreichen.

„Herkunft darf kein Schicksal sein“

Schulz trat für ein gerechteres Schulsystem ein. „Herkunft darf kein Schicksal sein.“ Er bekräftigte seine Forderung, die Bildung in Deutschland von der Kita bis zur Hochschule und zum Meisterabschluss kostenfrei zu machen.

„Schule nicht durchökonomisieren“

Als fatal bezeichnete er die jahrelange Politik, Schülerinnen und Schüler so rasch wie möglich für den Arbeitsmarkt verfügbar zu machen: „Wir brauchen mehr Zeit für Bildung.“ Schulz sprach sich für das Abitur nach 13 Schuljahren aus. Schule müsse „auch Spaß machen“.

Der SPD-Vorsitzende machte sich für eine Abschaffung des Verbotes stark, dass der Bund bei der Bildung mit den Ländern kooperieren darf. Das sei ein „in Verfassungsrecht gegossener Irrtum“. In der Bildungspolitik müssten „alle Anstrengungen und Mittel“ gebündelt werden. „Wir brauchen weder Kleinstaaterei noch Kooperationsverbote.“

„Das, was ich hier sage, kostet viel Geld“, sagte Schulz. Allerdings sei es „sinnvoller“, die Milliardenüberschüsse des Staates in die Bildung zu investieren, als sie, wie die Union es vorschlage, in Aufrüstung oder Steuersenkungen zu stecken.

„Bildung gebührenfrei“

Martin Schulz will gleiche Chancen für alle. Denn bei uns entscheide noch immer zu oft der Geldbeutel der Eltern über die Zukunft der Kinder: „Wir machen Bildung gebührenfrei und investieren in moderne Schulen. Kinder, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer sollen erleben, dass uns Bildung viel wert ist.“

Martin Schulz un die SPD wollen:

das Kooperationsverbot im Grundgesetz abschaffen. Überall wo es Sinn macht, soll der Bund helfen können, Bildung besser zu machen. alle an einen Tisch bringen: Bund, Länder und Kommunen mit Lehrerinnen und Lehrern, Eltern, Schülerinnen und Schülern wie auch Studierenden. Eine Bildungsallianz für besseres Lernen. mehr Zeit für Bildung ermöglichen – mehr gemeinsames Lernen, mehr Raum, um sich orientieren und ausprobieren zu können. Dafür bauen wir flächendeckend Ganztagsschulen aus und führen einen Rechtsanspruch auf ganztägige Bildung und Betreuung ein. Bildung gebührenfrei machen. Und zwar von der Kita über die Ausbildung und das Erststudium bis zum Master und zur Meisterprüfung. in flächendeckende Schulsozialarbeit investieren, damit unsere Kinder immer jemanden bei Sorgen und Unsicherheiten an ihrer Seite haben. Und wir werden Schulen modernisieren.

Es ist Zeit für eine Bildungspolitik, die gleiche Chancen für alle schafft!



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Berlin Depesche Nr. 105

Wahlkreiszeitung mit aktuellen Informationen aus Berlin und Köln

Einige Themen dieser Ausgabe:

Standpunkt: Zusammenhalt und Zukunftschancen Ergebnisse der NRW-Landtagswahl Entwurf zum SPD-Regierungsprogramm Martin Schulz für Bildungsoffensive Mehr Lohngerechtigkeit für Frauen Ausbau der Kindertagesbetreuung Interview zur Deutschen Welle Andrea Nahles beim Veedel e.V. in Köln-Ostheim

 

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Politik mit Leidenschaft

Standpunkt aus Berlin Depesche Nr. 104 (April 2017)

Martin Schulz begeistert Menschen. Seine Kanzlerkandidatur und die Aufbruchstimmung in der SPD versprechen einen spannenden Bundestagswahlkampf

In den vergangenen Jahren hatten wir in der SPD-Bundestagsfraktion mehrmals  Meinungsforschungsinstitute zu Gast. Besonders bemerkenswert fanden wir die wiederholten Hinweise, dass die SPD prinzipiell durchaus ein ähnliches Wählerpotenzial habe wie die Union. Dennoch blieben wir in den Umfragen meist im 25-Prozent-Bereich, mit gehörigem Abstand zu CDU/CSU. Und das, obwohl wir doch nach allgemeinem Urteil viele sozialdemokratischen Projekte in der Großen Koalition umsetzen konnten: vom Mindestlohn bis hin zu mehr Geld für Infrastruktur, Bildung und Kommunen.

Die Ausgangslage zur Bundestagswahl hat sich mit der Verkündung der Kanzlerkandidatur von Martin Schulz dramatisch geändert. Seit Wochen begegnen sich Union und SPD auf Augenhöhe, ebenso Schulz und Merkel.

Die Begeisterung für Martin Schulz ist riesig. Innerhalb von kaum drei Monaten sind 13.000 Menschen in die SPD eingetreten – mehr als die Piraten heute noch insgesamt an Mitgliedern haben. Sowohl innerhalb der Partei als auch bei Bürgergesprächen wird täglich deutlich, dass Schulz für viele eine Hoffnung auf Bewegung, Aufbruch und mehr soziale Gerechtigkeit darstellt. Und nicht zuletzt auf eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung.

In geheimer Wahl hat der SPD-Parteitag Martin Schulz mit 100 Prozent Ja-Stimmen zum Parteivorsitzenden gewählt. Ein historisches Rekordergebnis! Es belegt die hohe Zustimmung zum Kanzlerkandidaten ebenso wie den Siegeswillen und die inhaltliche Geschlossenheit der Partei. Alles wichtige Voraussetzungen für einen erfolgreichen Wahlkampf.

Ganz anders die Stimmungslage in der Union. Von Begeisterung für Merkel ist wenig zu spüren. Schon die lustlose Vorstellung ihrer Kanzlerkandidatur gemeinam mit Seehofer sprach Bände. Hätte man den Ton weggedreht,  es wäre der Eindruck entstanden, beide verkünden gerade ihre endgültige politische Scheidung. Offenbar sind die ewigen internen Scharmützel der letzten Monate bei beiden nicht folgenlos geblieben. Zudem wirkt Merkel auch auf internationaler Ebene zunehmend blass und wie eine Getriebene zwischen Brexit und Erdogan.

Andererseits hat die Saarlandwahl mit dem Sieg der CDU-Ministerpräsidentin gezeigt, dass sich unter bestimmten Voraussetzungen auch auf Seiten der CDU zusätzliche Mobilisierungspotenziale bei bisherigen Nichtwählern ergeben können. Alles spricht also dafür, dass wir vor einer spannenden Bundestagswahl mit völlig offenem Ausgang stehen.

Die personellen Alternativen sind klar: auf der einen Seite die oft präsidial und emotionslos agierende Kanzlerin. Auf der anderen Seite Martin Schulz, der seine Stärke gerade in der Hinwendung zu den Menschen zieht. Aus langjähriger Erfahrung weiss ich, dass seine Empathie echt ist. Deshalb ist er authentisch und glaubwürdig. Ein großes Pfund.

Innenpolitisch beherrschen schon heute seine Vorschläge für mehr Gerechtigkeit und Respekt die Debatte. Und als langjähriger Präsident des Europaparlaments bringt er Erfahrungen mit, die wichtig sind.

Europa steht an einem Scheideweg. Zunehmender Nationalismus und Rechtspopulismus gefährden das Einigungswerk. Dabei brauchen wir gerade jetzt eine starke EU. Denn wir dürfen die Internationale Bühne nicht den  Trumps, Erdogans und Putins dieser Welt  überlassen.

Martin Schulz zitiert gerne die Worte Willy Brandts in dessen Regierungserklärung 1969: „Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein und werden, im Innern und nach außen.“ In dem Satz steckt viel. Der Zusammenhalt der Gesellschaft ebenso wie eine einigungs- und friedensorientierte Politik.

Für diese Werte und für eine lebendige Demokratie steht auch der neue Bundespräsident. Frank-Walter Steinmeier lässt seine SPD-Mitgliedschaft während seiner Amtszeit ruhen und wird sebstverständlich überparteilich arbeiten. Aber als Sozialdemokrat freut man sich dennoch, dass nun einer von uns oberster Repräsentant des Landes ist. Das hätte noch vor wenigen Monaten kaum einer für möglich gehalten.

Viel Glück und Erfolg in Deinem neuen Amt, lieber Frank!

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Bundesversammlung

Impressionen von der 16. Bundesversammlung

Mit großer Mehrheit (über 75 Prozent) hat die 16. Bundesversammlung am 12. Februar den ehemaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier zum neuen Staatsoberhaupt gewählt. Der Bundesversammlung gehören jeweils 630 Bundestagsabgeordnete sowie 630 von den Landtagen gewählte Wahlfrauen und -männer an. Nachfolgend beschreibt Martin Dörmann seine Eindrücke:

Samstag, 11. Februar

15:20 Uhr: Flug von Köln nach Berlin

Am Tag vor der Bundesversammlung geht es los nach Berlin. Die Fraktionsgremien tagen. Zudem steht abends der traditionelle SPD-Empfang an. Neben mir sitzt CDU-Kollege Wolfgang Bosbach im Flieger. Er müsse morgen so schnell wie möglich wieder zurück zu einem Karnevalstermin. Deshalb gebe er seine Stimme Steinmeier, damit dieser gleich im ersten Wahlgang gewählt werde.

Ich kann mir vorstellen, dass auch andere Unionskollegen nicht so ganz begeistert sind. Auf der anderen Seite: es spricht für die anerkannte Persönlichkeit Steinmeiers und für unsere parlamentarische Demokratie, dass eine breite Mehrheit für ihn gesichert scheint. So war es auch bei Joachim Gauck, damals ebenfalls von der SPD vorgeschlagen. Er war ein sehr guter Bundespräsident. Seine Vorgänger Köhler und Wulff waren Vorschläge Merkels und sind jeweils zurückgetreten. Was lernen sie und wir daraus? Man sollte sich einfach immer auf die SPD-Vorschläge verlassen!

17:00 Uhr: Sitzung des Fraktionsvorstandes mit dem Parteivorstand und den Ministerpräsidenten der SPD

Auf dem Weg zum Fraktionsvorstandssaal spreche ich mit Sigmar Gabriel und lobe ihn für seinen Schulz-Coup. Dafür wird ihm an diesem Wochenende noch sehr oft gedankt, was ihn sichtlich rührt. Er wirkt ein Stück weit erleichtert und ist gut drauf. Zur Kanzlerkandidatur erzähle ich ihm eine amüsante Geschichte, die ihm so gut gefällt, dass er sie gleich an Martin Schulz weitergibt.

Schon das erste Treffen an diesem Wochenende ist von einer Hochstimmung unter Sozialdemokraten geprägt. Steinmeier wird Bundespräsident, Schulz Kanzlerkandidat. Und jeder kann aus seinem Wahlkreis von einer Aufbruchstimmung und zahlreichen Neueintritten in die SPD berichten. Auch die Umfragewerte weisen steil nach oben.

Das Jahr hätte besser nicht beginnen können. Schulz wirkt! Thomas Oppermann, Sigmar Gabriel und Martin Schulz würdigen das besondere Ereignis der Präsidentenwahl. Vermutlich wird es bei der Union nicht so gut gelaunt zugehen.

18:00 Uhr: SPD-Fraktionssitzung mit den von der SPD bestimmten Mitgliedern der Bundesversammlung

Als Frank-Walter Steinmeier den Otto-Wels-Saal betritt, brandet Jubel auf. Die Standing Ovations für ihn leiten die Sitzung ein.

Thomas Oppermann begrüßt alle Wahlfrauen und -männer, einige nennt er namentlich. Die SPD-Fraktionen aus den Bundesländern haben zahlreiche Prominente aus der Gesellschaft als Delegierte entsendet. Darunter Schauspielerinnen wie Iris Berben, Senta Berger und Mariele Millowitsch, SängerInnen wie Katja Epstein, Stefanie Kloß von Silbermond, Peter Maffay oder Roland Kaiser. Auch der DGB-Vorsitzende Rainer Hoffman, Fußballgröße Reinhard Rauballl und Münchens Bürgermeister Dieter Reiter sind dabei. Das mediale Interesse für sie ist groß und transportiert die besondere Bedeutung der Wahl. Das ganze Wochenende werden unzählige Fotos mit ihnen geschossen.

Sigmar Gabriel zitiert den Kommentar einer Zeitung, der die Wahl als abgekartete Sache diskreditiere. Genau diese verfehlte Tonlage belaste den demokratischen Diskurs. Dabei habe es keinen Deal gegeben, sondern es läge einfach daran, dass Frank der beste Kandidat sei, gegen den die Union niemanden überzeugend aufstellen konnte.

Steinmeier bedankt sich für die große Unterstützung und lobt das Geschick von Gabriel. Schließlich ordnet Schulz die Wahl mit stimmigen Worten historisch ein.

19:00 Uhr: SPD-Empfang

Das passt: Die große Halle im Westhafen hat Flair und ist in rotes Licht gehüllt. Ein würdiger Rahmen mit einer Atmosphäre wie bei einem großen Familienfest der Sozialdemokratie. Neben den SPD-Mitgliedern der Bundesversammlung sind MitarbeiterInnen und weitere Gäste eingeladen, darunter Mario Adolf und Klaus Staeck.

Franz Müntefering ist sozialdemokratischer Rekordhalter bei Bundesversammlungen, seit der Wahl von Walter Scheel ist er schon dabei. Deshalb gehört er zu den Talkgästen, die den Abend einleiten, nach und nach gesellen sich weitere auf der Bühne dazu. Iris Berben lobt Steinmeier in einer emotionalen, bewegenden Rede als richtigen Mann für das höchste deutsche Staatsamt. Er sei jemand, der nicht sofort losrede, sondern sich Gedanken mache, seine Worte genau überlege und für eine verantwortungsvolle Politik stehe.

Höhepunkt ist das Gespräch mit Steinmeier und seiner Frau. Beide machen einen entspannten, gelösten Eindruck, voller Vorfreude. Sie harmonieren als Paar wunderbar, geradezu rührend. „Ohne Dich hätte ich es nicht gemacht“, sagt Frank. Dann gibt er zu, bei jeder neuen Aufgabe hätte er versprochen, mehr Zeit für zu Hause zu haben, das würde aber vermutlich auch diesmal nicht ganz klappen. Steinmeiers Doktorvater ist mit dabei. Er habe es damals sehr bedauert, dass jener die akademische Laufbahn ausschlug. Aber so sei es ja nun auch ganz gut gekommen. Stimmt.

Den Abend begleiten zahlreiche fröhliche Begegnungen an den Stehtischen, ehe der Saal bei dem Auftritt von Roland Kaiser so richtig abgeht. „Manchmal möchte ich schon mit Dir…!“ Steinmeier wird sich am Tag darauf verwundert zeigen, wie viele Sozialdemokraten dabei textsicher waren.

Sonntag, 12. Februar

11:00 Uhr: SPD-Fraktionssitzung mit den von der SPD bestimmten Mitgliedern der Bundesversammlung

Traditioneller „Zählappell“, um sicherzustellen, dass alle da sind. Sind sie. Wer jetzt noch keine Wahlausweise hat, bekommt sie vor dem Fraktionssaal. Kurze Reden von Thomas Oppermann und Martin Schulz, dann geht es rüber zum Plenarsaal.

Der sieht etwas anders aus als sonst, schließlich mussten im Inneren die doppelte Anzahl von Stühlen aufgebaut werden. Jeder davon ist mit einer farblichen Parteikennung markiert – damit sich niemand in die falschen Reihen setzt.

Die Kölner Comedian Carolin Kebekus ist als von den Grünen nominierte Wahlfrau dabei. Da waren wir einfach nicht schnell genug. Ich grüße sie von meinem Büroleiter Tim Cremer, beide sind seit vielen Jahren eng befreundet. Ebenfalls mit dabei ist Jogi Löw. Bei den geschossenen Selfies liegt heute nur er mit Iris Berben und Senta Berger auf Augenhöhe. Deutschlands bekanntester Travestiekünstler Olivia Jones fällt im Saal mit leuchtend orangen Haaren auf, Fraktionskollege Sönke Rix postet dazu treffend: „Deutschland muss bunt bleiben!“

12:00 Uhr: Bundesversammlung

Bundestagspräsident Norbert Lammert eröffnet die Versammlung und begrüßt Bundespräsident Joachim Gauck auf der Tribüne. Der nimmt die dankenden Worte und den großen Applaus des Hauses sichtlich gerührt entgegen.

Es folgt eine starke Rede Lammerts, in der er sowohl auf historische als auch aktuelle Bezüge eingeht. Er kritisiert Donald Trump, ohne ihn beim Namen zu nennen, deutlich: „Wer Abschottung anstelle von Weltoffenheit fordert, wer sich sprichwörtlich einmauert, wer statt auf Freiheit auf Protektionismus setzt und gegenüber der Zusammenarbeit der Staaten Isolationismus predigt, wer zum Programm erklärt „Wir zuerst!“, darf sich nicht wundern, wenn es ihm andere gleichtun – mit allen fatalen Nebenwirkungen für die internationalen Beziehungen, die uns aus dem 20. Jahrhundert hinreichend bekannt sein sollten.“

Es folgt langanhaltender Beifall der weit überwiegenden Mehrheit des Hauses, die meisten erheben sich. Das gibt es selten und ist ein besonderes Zeichen. In diesem Augenblick erscheint mir Deutschland erneut als Insel der Hoffnung in einem internationalen Umfeld, das zunehmend von Nationalismus und autoritären Regimen geprägt ist. Ich würde mir wünschen, den Wert einer gefestigten Demokratie lernen noch mehr Menschen schätzen. Denn: Nichts kommt von selbst!

Kleiner Schönheitsfleck der Rede: in seiner lobenden Aufzählung früherer Bundespräsidenten nennt Lammert mehrere CDU-Parteikollegen bis zu Christian Wulff, findet aber keinen Platz für den Sozialdemokraten Johannes Rau. Dabei ist dessen Motto „Versöhnen statt Spalten“ aktueller denn je. Schade. Ein überraschender Fauxpas, von dem wir uns aber heute gar nicht weiter irritieren lassen. Vielleicht war es ja als Trostpflaster für seine Unionskollegen gedacht?

Nach einigen Hinweisen zum Verfahren folgt der eigentliche Wahlgang. Jedes Mitglied der Bundesversammlung wird in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen. Mit meinem weißen Wahlausweis für den ersten Wahlgang gehe ich vor den Plenarsaal und kreuze meinen Stimmzettel in einer Kabine an, bevor ich ihn in einen Umschlag lege. Dann geht es zurück ins Plenum. Dort werfe ich den Brief in eine Urne. War gar nicht schwer, das richtige Kreuz zu machen.

Bis alle Mitglieder gewählt haben, dauert es nun eine Weile. Ich nutze die Gelegenheit, um mit dem Fraktionsvorsitzenden der Union Volker Kauder über das Freiheits- und Einheitsdenkmal zu sprechen. Der Haushaltsausschuss hat das Projekt vorerst blockiert, ich hoffe, wir bekommen es wieder flott. Zwei Tage später werden Oppermann und Kauder tatsächlich den Weg wieder frei machen: das Denkmal kann kommen. Gut so!

Für die Auszählung der Wahl wird die Sitzung für rund 40 Minuten unterbrochen. Dann die Bekanntgabe des Ergebnisses: Von 1239 gültigen Stimmen entfallen auf Frank-Walter Steinmeier 931! Das entspricht gut 75 Prozent, eines der besten Wahlergebnisse für einen Bundespräsidenten überhaupt. Meine farbigen Stimmausweise für weitere Wahlgänge brauche ich erwartungsgemäß nicht mehr. Ich hebe sie als Erinnerung auf.  Joachim Gauck gratuliert dem Gewählten als einer der ersten.

Steinmeier hat traditionsgemäß nur wenige Minuten für eine kurze Dankesrede, schließlich muss er bis zur Vereidigung noch bis zum 22. März warten. Er macht deutlich, worum es ihm vor allem gehen wird: um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, die Suche nach deren „Kit“. Der künftige Bundespräsident wirbt für die Demokratie, „unser Fundament“. Wenn dieses Fundament in anderen Ländern wackele, dann müssten wir umso fester dazu stehen.

„Wir machen anderen Mut, nicht, weil alles gut ist in unserem Land, sondern weil wir gezeigt haben, dass es besser werden kann, dass nach Kriegen Frieden werden kann, dass nach Teilung Versöhnung kommen kann, dass nach der Raserei der Ideologien so etwas wie politische Vernunft einkehren kann und dass in unserem Land vieles geglückt ist.“

Nach der Rede wird die Nationalhymne gesungen, bevor der Bundespräsident um 14:34 Uhr die Bundesversammlung schließt und zu einem Empfang einlädt. Einige Abgeordnete nutzen die Gelegenheit, um Steinmeier zu gratulieren, auch ich. Er ist einfach die beste Wahl für unser Land und wird sein Amt selbstverständlich überparteilich ausüben. Herzlichen Glückwunsch, lieber Frank!

14:35 Uhr: Empfang im Paul-Löbe-Haus

Der Tross der Bundesversammlung zieht nun vom Reichstag ins „PLH“. Es bietet reichlich Platz, leckere Speisen und die Möglichkeit zu vielen Gesprächen. Ich bleibe eine knappe Stunde, ehe ich aufbreche. Zufällig sind heute Verwandte in Berlin, mit denen ich noch etwas unternehmen will.

Als ich mit ihnen später gegen 18:30 Uhr Station im Reichstag mache, ist dieser schon fast komplett aufgeräumt. Das nennt man mal perfekte Organisation! Vor wenigen Stunden war hier noch ein einzigartiges Gewimmel mit einer Rekordzahl von Medienvertretern. Wir beenden unseren Rundgang oben auf der Kuppel und sind neben den beiden Beamten vom Sicherheitsdienst die einzigen, die dort rumlaufen. So leer habe ich die Kuppel noch nie erlebt.

Wir genießen den besonderen Moment bei klarster Sicht und lassen schließlich den Abend beim Italiener gemütlich ausklingen. Am Folgetag beginnt für mich die neue Sitzungswoche.

Mein Fazit des Wochenendes ist eindeutig: es war ein ganz besonderes Erlebnis. Meine fünfte Bundesversammlung war definitiv die schönste!

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Berlin Depesche Nr. 104

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Mit Martin Schulz

Standpunkt aus Berlin Depesche Nr. 103 (Februar 2017)

Mit Martin Schulz für mehr Gerechtigkeit und Zusammenhalt

Gute Umfragewerte und eine neue Aufbruchstimmung in der SPD verschaffen dem designierten Kanzlerkandidaten eine gute Ausgangslage für die Bundestagswahl. International stehen wir vor historischen Herausforderungen.

Wir leben in schwierigen Umbruchzeiten, die inzwischen welthistorische Bedeutung haben. Das Brexit-Votum der Briten und der Wahlsieg von Trump im letzten Jahr haben leider die ohnehin vorhandenen Herausforderungen noch einmal drastisch verschärft. Eigentlich wäre im Zeitalter der Globalisierung eine bessere Zusammenarbeit des Westens und die gemeinsame Verteidigung unserer Werte gegen Autokraten und Terroristen der richtige Weg. Nun regiert in Washington ein cholerisch und zerstörerisch agierender Präsident, der sich als „lupenreiner“ Autokrat erweist. Er will seine Ideologie und Geschäftsinteressen ohne Respekt vor Menschen, Justiz und den demokratischen Institutionen durchsetzen. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass auch die anstehenden Wahlen in den Niederlanden und in Frankreich die fatale Tendenz nationaler Abschottung bestätigen.

Umso größer wird die Bedeutung der Bundestagswahl am 24. September sein. Deutschland fällt in der EU eine Schlüsselrolle zu. Mit Martin Schulz wird die SPD einen Kanzlerkandidaten ins Rennen schicken, der wie kaum ein anderer auch ganz persönlich für europäische Werte, internationale Zusammenarbeit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt steht. Mit seiner werteorientierten Haltung und seinem nachdrücklichen Eintreten für Gerechtigkeit unterscheidet er sich von der allzu pragmatischen Kanzlerin. Bei der monieren selbst Unionsabgeordnete hinter vorgehaltener Hand, bei ihr wisse man nicht, wofür sie eigentlich stehe. Auch angesichts des Dauerkonflikts zwischen CDU und CSU erscheint Merkel inzwischen kraftlos.

Nach dem jüngsten ARD-Deutschlandtrend vom 3. Februar liegt Schulz bei der Kanzlerpräferenz mit 50 zu 34 Prozent deutlich vor Merkel. Und die SPD ist seit Bekanntgabe seiner Kandidatur um 8 Punkte auf 28 Prozent gestiegen. Auch wenn die Umfrageergebnisse eine Momentaufnahme sind: sie belegen, dass viel in Bewegung und der Wahlausgang völlig offen ist. Offensichtlich gibt es ein Grundbedürfnis nach Veränderungen in einer zunehmend politisierten Öffentlichkeit.

Das ist eine große Chance für die SPD. Sie hat nach langjährigen Erkenntnissen der Meinungsforscher das größte Wachstumspotenzial aller Parteien. Das muss aber auch mobilisiert werden. Es war eine kluge Entscheidung von Sigmar Gabriel, Martin Schulz sowohl als Kanzlerkandidaten als auch neuen Parteivorsitzenden vorzuschlagen. Er hat der SPD dadurch zum richtigen Zeitpunkt in die bestmögliche Ausgangsposition für die Wahl verschafft.

Wir alle wissen, wie sehr Sigmar Gabriel vor allem das Amt des Parteivorsitzenden geschätzt hat. Er hat es nur schweren Herzens aufgegeben. Umso höher ist ihm dieser Schritt anzurechnen, zumal er die SPD in den vergangenen Jahren gut geführt und wichtige Erfolge erzielt hat. Die Partei ist inhaltlich sehr geschlossen. So konnten wir in der Großen Koalition wichtige sozialdemokratische Anliegen durchsetzen. Dazu zählen: Mindestlohn, Rentenpaket, deutlich mehr Geld für Pflege, Bildung, Kommunen und Infrastruktur sowie wichtige familien- und arbeitsmarktpolitischen Fortschritte.

Damit wir die nächsten Schritte für mehr Gerechtigkeit, gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine gute wirtschaftliche Entwicklung gehen können, streben wir eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung an. Die unterstützen laut ARD-Deutschlandtrend derzeit 50 Prozent der Bevölkerung, nur 39 eine unionsgeführte. Mit Martin Schulz haben wir einen Kandidaten, der den festen Willen hat, Bundeskanzler zu werden und dafür auch die notwendigen Qualitäten mit sich bringt. Gerade der enorme Anstieg der Neueintritte in die SPD in den letzten Wochen zeigt, dass er die Zugkraft hat, Menschen zu begeistern und neue WählerInnen zu mobilisieren.

Ich freue mich sehr über die neue Aufbruchstimmung in der SPD und auf spannende Wahlkämpfe 2017: im Mai für unsere Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Und im September für Martin Schulz als Bundeskanzler.  Glück auf!

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Berlin Depesche Nr. 103

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Verkehrsweichenstellungen

Bundesverkehrswegeplan 2030, Haushalt, ÖPNV-Mittel und LKW-Maut

In den vergangenen Wochen hat der Bundestag wichtige verkehrspolitische Entscheidungen getroffen, von denen auch Köln profitieren wird.

Dazu gehören insbesondere die Verabschiedung

der Ausbaugesetze zum Bundesverkehrswegeplan 2030, des Bundeshalts 2017 mit einer deutlichen Erhöhung der Infrastrukturinvestitionen, der Gesetzesnovelle zur Erhöhung der Regionalisierungsmittel und des Bundesfernstraßenmautgesetzes mit einer Ausweitung der LKW-Maut.

Zudem gab es eine Einigung zwischen dem Bund und den Ländern zur Fortführung der Gemeindeverkehrsfinanzierung.

Martin Dörmann, selbst Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur: „Mit den vorgenannten Beschlüssen stärken wir Mobilität in Deutschland nachhaltig. Die SPD-Bundestagsfraktion hat zu allen Punkten stets erfolgreich darauf gedrungen, dass ausreichend Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden, um eine zukunftssichere Verkehrsinfrastruktur in Deutschland zu gewährleisten.“

Überblick zu den wichtigsten Beschlüssen:

Bundesverkehrswegeplan 2030: Rekordinvestitionen des Bundes

Am 2. Dezember wurden die Ausbaugesetze zum Bundesverkehrswegeplan im Bundestag abschließend beraten und beschlossen.

Der Bundesverkehrswegeplan 2030 sieht Investitionen des Bundes in Höhe von über 270 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 in die Verkehrsinfrastruktur vor. Dabei gilt: Erhalt hat Vorrang vor Neu- und Ausbau. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Engpassbeseitigung.

Es entfallen auf den Verkehrsträger Straße 49,3 Prozent, auf die Schiene 41,6 Prozent und auf die Wasserstraße 9,1 Prozent.

Es braucht einen raschen und gezielten Ausbau der überlasteten Knoten und Engpässe. Maßnahmen mit unanfechtbarem Baurecht und mit einer großräumigen Bedeutung sollen absoluten Vorrang bekommen, damit schnell Entlastung im ganzen Netz geschaffen werden kann. Das Ergebnis soll ein zuverlässiges Netz mit ausreichend und leistungsstarken Schnittstellen zwischen den Verkehrsträgern sein, um die Potenziale des kombinierten Verkehrs stärker zu nutzen und den Verkehr auch ökologisch nachhaltiger zu gestalten.

Die meisten Investitionen bis 2030 sollen in den Erhalt fließen. Für den Erhalt bestehender Brücken und Verkehrswege sind im neuen Plan rund 142 Milliarden Euro vorgesehen. Das ist weitaus mehr, als in den vergangenen Jahren in das bestehende Verkehrsnetz geflossen ist.

Bis 2030 soll mit 18,3 Milliarden Euro für Aus- und Neubauvorhaben der umweltfreundliche Personen- und Güterverkehr auf der Schiene gestärkt werden. Damit ist der Anteil der Schienenprojekte im Vergleich zum ersten Entwurf des BVWP vom März dieses Jahres gestiegen – womit auch stärker auf den Klimaschutz geachtet wird. Der neue Bundesverkehrswegeplan baut dem Verkehrswachstum nicht einfach hinterher. Das Gesamtvolumen aller wichtigsten Projekte entspricht einem realistischen und ehrlich gerechneten Finanzrahmen für die kommenden fünfzehn Jahre.

NRW profitiert besonders

Der durch die Bundesregierung beschlossene Bundesverkehrswegeplan eröffnet gerade dem Land Nordrhein-Westfalen gute Perspektiven für mehr Mobilität für Menschen und Waren. Für NRW ist es das größte Anti-Stau-Programm, das NRW je erlebt hat. NRW bekommt 37,4 % aller Sofortmaßnahmen zur Staubeseitigung, die bundesweit finanziert werden.

Für NRW gibt es mit dem BVWP eine ganze Reihe von guten Nachrichten, wie zum Beispiel die Realisierung des Rhein-Ruhr-Express oder den Ausbau vieler Autobahnkreuze. Im Berliner Verkehrsministerium wurde Nordrhein-Westfalens überregionale Bedeutung als Transitland endlich anerkannt. Rund 40 Prozent der Projekte in der wichtigsten Kategorie VB-E („Vordringlicher Bedarf mit Engpassbeseitigung“) finden sich in NRW.

Vor allem im Straßenbaubereich hat der Bund praktisch alle Staustellen und Engpässe, die NRW gemeldet hatte, aufgenommen. Auch Maßnahmen außerhalb der Ballungsräume sind hinlänglich berücksichtigt.

Im Bereich Schiene werden mehr als 1,7 Milliarden Euro für den Rhein-Ruhr-Express (RRX) eingeplant. Die Maßnahme steht im „Vordringlichen Bedarf mit Engpassbeseitigung“. Damit zählt der RRX zu einem von bundesweit sechs Projekten, die bis 2030 prioritär verwirklicht werden sollen.

Viele Kölner Projekte wurden priorisiert

Der Bundesverkehrswegeplan enthält für Köln wichtige Verkehrsprojekte in der obersten Kategorie. So werden die Fahrstreifen mehrerer Autobahnen in und um Köln herum erweitert und Autobahnkreuze ausgebaut. Die Ortsumgehungen in Meschenich und Hürth-Hermülheim werden ebenfalls als vordringlicher Bedarf eingestuft. Gleiches gilt für die geplante neue südliche Rheinbrücke Köln-Godorf-Niederkassel und im Bereich Schiene für den Bahnknoten Köln.

Im Bundesverkehrswegeplan 2030 priorisierte Straßenprojekte in Köln und der Region: A3 Kreuz Leverkusen – Kreuz Hilden: Engpassbeseitigung, A3 Anschluss Königsforst – Heumarer Dreieck: Erweiterung auf 8 Fahrstreifen, A4/A555 Ausbau Autobahnkreuz Köln-Süd, A4 Kreuz Köln Süd – Kreuz Gremberg: Erweiterung auf 8 Fahrstreifen, A4 Kreuz Köln-Ost – Anschluss Moitzfeld: Erweiterung auf 6 Fahrstreifen, A57 Kreuz Köln-Nord – Dreieck Neuss-Süd: Erweiterung auf 6 Fahrstreifen, A59 Dreieck Sankt Augustin-West – Dreieck-Porz, A61/A4 Dreieck Erfttal – Kreuz Köln West: Engpassbeseitigung, A 559 Dreieck Porz – Kreuz-Gremberg: Erweiterung auf 6 Fahrstreifen, B51 Ortsumgehung Köln/Meschenich, B265 Ortsumgehung Liblar/ Hürth-Hermülheim, Rheinbrücke Köln-Godorf-Niederkassel.

Für den Bahnknoten Köln wurde von der Bundesregierung bestätigt, dass es sich wegen des hier bestehenden Engpasses um ein zentrales Ausbauprojekt handelt. Der Großknoten wurde erstmals in den vordringlichen Bedarf aufgenommen. Die DB Netz AG und der Nahverkehr Rheinland haben in Zusammenarbeit mit dem Landesverkehrsministerium NRW ein Gesamtkonzept mit mehreren Einzelmaßnahmen vorgelegt. Die Bundesregierung plant, unmittelbar nach dem endgültigen Beschluss des Ausbaugesetzes eine diesbezügliche Kostenstudie in Auftrag zu geben und das im rechtsrheinischen Bereich bestehende Baurecht unverzüglich umzusetzen.

Letzte Änderungen zum Bundesverkehrswegeplan, von denen Köln profitiert

Nach den Beratungen und öffentlichen Anhörungen des Bundestagsausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zum neuen Bundesverkehrswegeplan 2030 haben sich die Koalitionsfraktionen auf Änderungsanträge zu den diesbezüglichen Ausbaugesetzen verständigt.

Für Köln wurde die umfangreiche Projektliste im Bereich Straße bestätigt. Bei den Schienenprojekten konnten noch zwei positive Änderungen verabredet werden:

Im vordringlichen Bedarf ist beim Rhein-Ruhr-Express nun auch ein Halt in Köln-Mülheim ausdrücklich aufgenommen worden. Die Realisierung soll im Rahmen des Betriebsprogramms der Aufgabenträger erfolgen. Zur laufenden Nummer 17 des Vordringlichen Bedarfs (Rhein-Ruhr-Express [RRX]: Köln – Düsseldorf – Dortmund / Münster) wird die Fußnote „mit Halt Köln-Mühlheim ohne Infrastrukturausbau laut Betriebsprogramm der Aufgabenträger“ eingefügt.

Bislang war kein RRX-Halt in Köln-Mülheim vorgesehen, obwohl gerade hierfür ein großer Bedarf besteht. Seitens der Bundesregierung wurde darauf hingewiesen, dass ein zusätzlicher sog. „Systemhalt“ dazu führen könnte, dass dessen Mehrkosten in den Kosten-Nutzen-Faktor eingerechnet würden. Damit bestünde die Gefahr, dass die Gesamtmaßnahme unter den aus Kosten und Nutzen gebildeten, notwendigen Faktor 1 fallen könnte. Die entstehenden Zusatzkosten zur Ertüchtigung des Bahnhofsumfeldes sind jedoch vergleichsweise überschaubar und müssen nicht zwingend vom Bund getragen werden. Sie blieben damit für den Kosten-Nutzen-Faktor neutral. Entscheidend ist, dass der Halt tatsächlich kommt. Demnächst wird hierzu eine Machbarkeitsstudie vorgelegt, die von der Stadt Köln und dem Nahverkehr Rheinland in Auftrag gegeben wurde. Dann lassen sich auch die notwendigen Mehrkosten klären.

Nach Erkenntnissen der Gutachter wäre ein Systemhalt in Köln-Mülheim ohne negative Auswirkungen auf die durchfahrenden Fahrgäste unter Wegfall einer entsprechenden Zahl von Halten in Leverkusen Mitte zu realisieren. Damit entstünde an beiden Orten ein dem heutigen Zustand vergleichbares Angebot mit zwei Halten des schnellen Regionalverkehrs pro Stunde und Richtung (zuzüglich S-Bahn-Verkehr). Eine solche alternierende Haltepolitik wäre hinsichtlich der betrieblichen Machbarkeit noch zu prüfen und läge in der Zuständigkeit der SPNV-Aufgabenträger.

Mit der oben dargestellten Lösung ist auch nach Ansicht der Bundesregierung die zentrale Voraussetzung für den Halt in Mülheim geschaffen worden.

Neu aufgenommen wurde zudem die Erweiterung der Voruntersuchung zum Bahnknoten Köln um eine neue Schienenbrücke Köln-Godorf/Niederkasssel. Durch diese – bislang nicht vorgesehene – Aufnahme der Schienenquerung Köln/Brühl-Köln/Porz-Wahn in den „Potenziellen Bedarf“ der Schienenprojekte wird eine Prüfung und bei positiven Ergebnis eine Realisierung der Brücke möglich. Es besteht somit Offenheit für eine weitere Schienenbrücke über den Rhein.

Bundeshaushalt 2017: deutliche Steigerung der Infrastrukturmittel

Am 25. November wurde der Verkehrsetat des Bundes für 2017 beschlossen. Die Investitionslinie alleine für die Verkehrsinfrastruktur steigt damit von zehn Milliarden Euro im Jahr 2014 auf fast 13 Milliarden Euro im kommenden Jahr. Einen Schwerpunkt setzen wir dabei auf den Erhalt bestehender Verkehrswege. Zudem werden die Verkehrssicherheit gestärkt, die Luftverkehrswirtschaft entlastet und Radschnellwege gefördert.

Die deutsche Luftverkehrswirtschaft sieht sich im internationalen Vergleich mit enormen Belastungen konfrontiert. Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Luftverkehrsstandortes entlasten wir diesen Sektor um einen dreistelligen Millionenbetrag. Dies wird im Haushalt zum Beispiel durch Senkung der Flugsicherungsgebühren umgesetzt.

Erstmals fördert der Bund den Bau von Radschnellwegen. Damit werden neben den bereits bestehenden Mitteln von gut 100 Millionen Euro für den Radwegebau nun 2017 zusätzliche 25 Millionen Euro bereitgestellt. Dies ist der Startschuss für den Einstieg in den systematischen Aufbau eines Radschnellwegenetzes. Damit entlasten wir Umwelt und Straßen. Radschnellwege sind unter anderem für Berufspendelnde besonders attraktiv.

Erhöhung der Regionalisierungsmittel (ÖPNV)

Der Bundestag hat am 10. November den Entwurf der Bundesregierung für ein viertes Gesetz zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes angenommen.

Auf Grundlage des Regionalisierungsgesetzes erhalten die Länder für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) einen Anteil aus dem Steueraufkommen des Bundes, der vor allem zur Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) verwendet werden soll. Diese Regionalisierungsmittel von bisher 7,3 Milliarden Euro wurden auf 8,0 Milliarden Euro erhöht. Nunmehr wird nach der Einigung mit den Bundesländern der Betrag um 200 Millionen in diesem Jahr von acht Milliarden Euro auf 8,2 Milliarden Euro erhöht. Ab 2017 bis 2031 wird dieser Betrag dann jährlich um 1,8 Prozent steigen. Somit ergibt sich eine Gesamterhöhung der Regionalisierungsmittel um 900 Millionen Euro.

Dies ist ein großer Erfolg, der zu mehr Nahverkehr auf der Schiene verhilft. Mit der neuen Regelung, die auch eine sachgerechtere Verteilung unter den Ländern enthält, wird ein wichtiger Schritt zu einer zukunftssicheren Lösung getan. Damit gibt es Aufwuchs um mehr als zwölf Prozent gegenüber dem alten Regionalisierungsgesetz. Dieser Mittelaufwuchs finanziert das hohe Niveau von Bestellungen und Leistungen und die benötigten Investitionen in die Infrastruktur.

Die Regionalisierungsmittel des Bundes decken fast drei Viertel der Gesamtkosten des öffentlichen Schienenpersonennahverkehrs. Die Bundesländer haben mit einem neuen, sachgerechteren Verteilschlüssel die Grundlage geschaffen, um in Ost und West schrittweise bis 2030 die bisherige Schieflage zwischen einzelnen Ländern zu beseitigen. Dieser „Kieler Schlüssel“ bietet auf der Grundlage von Einwohnerzahlen und Zugkilometern ein besseres Abbild der tatsächlichen Bedarfslage. Davon profitiert insbesondere NRW. Die östlichen Bundesländer und das Saarland erhalten nach einem gesonderten Verteilschlüssel 200 Millionen Euro vom Gesamtbetrag, um die strukturellen Defizite ihrer Schienenverkehrsinfrastruktur abmildern zu helfen.

Der größte Teil, 40 Prozent, der Regionalisierungsmittel wird für die Kosten der Nutzung von Schienenwegen und Bahnhöfen aufgewendet. Im kürzlich verabschiedeten Eisenbahnregulierungsgesetz haben wir deshalb Vorkehrungen getroffen, um mit einer gedeckelten Teuerungsrate den unkontrollierten Anstieg dieser Trassenpreise kurzfristig auszuschließen. Nur eine wirksame Regulierung kann sicherstellen, dass die Regionalisierungsmittel zweckgerecht verwendet werden können.

Mehreinnahmen durch Ausweitung der LKW-Maut auf Bundesfernstraßen

Am 1. Dezember hat der Bundestag die Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen ab Mitte 2018 beschlossen. Insgesamt kommen rund 40.000 mautpflichtige Straßenkilometer hinzu. Dadurch sollen jährlich bis zu zwei Milliarden Euro zusätzlich in die öffentlichen Kassen fließen. Abgezogen davon werden noch die Betriebskosten, etwa für die Kontrollbrücken.

Bisher wird die Nutzungsgebühr für Lkw ab 7,5 Tonnen in Deutschland nur auf 13.000 Autobahn-Kilometern sowie auf 2300 Kilometern autobahnähnlichen Bundesstraßen kassiert. Die jetzt beschlossene Reform sieht hingegen sogar die Möglichkeit vor, die Mautpflicht auch auf kleinere Landesstraßen auszudehnen, um eventuellen Maut-Ausweichverkehr zu unterbinden.

Von der Ausweitung der Lkw-Maut sollen auch die Bundesländer profitieren: Bisher gehen die Einnahmen von zuletzt rund 4,5 Milliarden Euro allein an den Bund. Da jedoch etwa acht Prozent des Netzes – vor allem Ortsdurchfahrten – nicht in der Bundeszuständigkeit liegen, sollen die dort erzielten Einnahmen an die jeweiligen Länder ausgezahlt werden.

Fortführung Bundesprogramm Gemeindeverkehrsfinanzierung (GVFG)

Durch das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) gewährt der Bund den Ländern Finanzhilfen für Investitionen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden.

Im Rahmen der Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab 2020 wurde auf der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs von Bund und Ländern am 14. Oktober beschlossen, das Bundesprogramm in Höhe von rund 333 Millionen Euro jährlich dauerhaft fortzuführen.

Ergänzender Hinweis: Im Rahmen der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen erhalten die Länder erhebliche zusätzliche Mittel in Höhe 9,5 Milliarden Euro ab 2019 jährlich zur Verfügung gestellt. In diesem Zusammenhang wurde vereinbart, dass Gelder, die für die Gemeindeverkehrsfinanzierung bislang über das Entflechtungsgesetz an die Länder fließen, ab 2019 nicht mehr zusätzlich vom Bund zur Verfügung gestellt werden. Somit läuft dieses Programm – im Gegensatz zum o. g. GVFG – 2019 aus. Hierfür müssen die einzelnen Länder jetzt Anschlussregeln finden. Darauf muss seitens der Kommunen geachtet werden

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Populismus entgegentreten

Standpunkt aus Berlin Depesche Nr. 102 (Dezember 2016)

In Zeiten großer Verunsicherung und Spannungen suchen viele Menschen nach einfachen Antworten und einem Frustventil. Das ist vordergründig verständlich – und zugleich kontraproduktiv. In einer komplexen Welt bringt Populismus keine Lösungen sondern verschärft Gegensätze und Probleme.

Es ist zu viel Wut in dieser Welt! Brexit-Befürworter sind wütend auf die EU. Trump-Wähler auf das „Establishment“. AfD- und Pegida-Anhänger auf etablierte Parteien. Erdogan auf seine Kritiker. Putin auf die NATO. Islamisten auf die freie westliche Welt.

Stimmungen statt Fakten beherrschen die politischen Debatten. Vermeintliche Sündenböcke werden gesucht und gefunden. Und so manche Autokraten stellen die eigene Macht vor dem Wohle der Gesellschaften. Werte, für die der Westen steht, geraten dabei unter zunehmenden Druck: internationale Zusammenarbeit, individuelle Freiheit, Toleranz und Solidarität.

Neben die Wut gesellt sich tiefe Verunsicherung darüber, ob wir vor einer guten Zukunft stehen. Terroristische Anschläge, kriegerische Konflikte und hohe Flüchtlingszahlen haben im vergangenen Jahr entscheidend dazu beigetragen. Hinzu kommen Globalisierung und Digitalisierung als langfristige Trends, die gesellschaftliche Entwicklungen immer dynamischer beeinflussen und beschleunigen. Euro- und Finanzkrise sind zwar in ruhigerem Fahrwasser, aber immer noch nicht endgültig überwunden. Das alles löst Sorgen aus, die nachvollziehbar und oftmals ja auch berechtigt sind.

Die globalen Trends für die Zukunft sind meist ambivalent. Automatisierung birgt riesige Chancen auf ein leichteres Leben und neue Arbeitsplätze, gefährdet aber auch bestimmte Jobs – und niemand kann garantieren, dass die Bilanz in jedem einzelnen Bereich positiv ist. Der weltweite Handel und die globale Kommunikation sind Impulsgeber für wirtschaftlichen Wohlstand und Freiheit – rufen aber auch Besorgnisse vor einer Ãœbermacht großer Konzerne gegenüber dem Primat der Politik hervor. Und die Entwicklung der Europäischen Union ist tief besorgniserregend. All diesen Zweifeln muss man sich stellen – und aktiv daran arbeiten, Dinge zu gestalten und positive Impulse zu setzen.

Populisten machen sich Verunsicherung über die Zukunft zu Nutze. Dabei gerieren sie sich in frecher Anmaßung als Vertreter „des Volkes“. Doch das sind sie nicht. Und sie bieten keine Lösungen, sondern wollen auf einer Woge der Emotionalisierung erfolgreich sein – oft an Fakten vorbei.

In Deutschland ist allerdings keineswegs ausgemacht, dass der Populismus dauerhaft erfolgreich sein wird. Zunächst nur eine Momentaufnahme, aber doch bemerkenswert: Im aktuellen Politibarometer vom 9. Dezember kommen Union und SPD bei der Stimmungslage (noch nicht gewichtet) auf zusammen 65 Prozent. Das sind nur rund 2 Prozentpunkte weniger als bei der Bundestagswahl. Und innerhalb weniger Wochen verlor die AfD 3 Prozentpunkte.

Noch ist völlig ungewiss, wie die Bundestagswahl ausgeht. Stimmungen sind wechselhaft und von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Etwa wie die Integration von Flüchtlingen nach und nach gelingt, wie viele noch hinzukommen, welche politischen Entwicklungen in Europa und im Nahen Osten stattfinden oder ob neue Anschläge weitere Schockwellen aussenden. Entscheidend ist auch, wie wir in Deutschland die politische Debatte führen.

Die Antwort auf Populismus muss zwei Fehler vermeiden: Verunsicherung und Probleme zu leugnen Рund falschen Parolen von Populisten hinterherzulaufen. Es darf keine Fixierung auf sie geben. Stattdessen sind gefragt: L̦sungskompetenz und sozialdemokratische Antworten.

Die SPD steht für eine Politik, die Menschen und den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärkt. Durch eine Flüchtlingspolitik, die Integration ermöglicht und die Integrationsfähigkeit wahrt. Durch eine Bildungspolitik, die Chancengerechtigkeit herstellt. Durch eine moderne Gleichstellungs- und Familienpolitik. Durch mehr Gerechtigkeit bei Steuern und der sozialen Absicherung. Und auch durch Verbesserungen bei der öffentlichen Sicherheit.

Der populistischen Verführung müssen wir konsequent entgegentreten. Wenn es gelingt, den politischen Diskurs über Argumente und Ziele statt über Verunsicherung und Stimmungen zu führen, wäre schon viel gewonnen.

 

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Berlin Depesche Nr. 102

Wahlkreiszeitung mit aktuellen Informationen aus Berlin und Köln

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