Gemeinsame Stellungnahme der Kölner SPD-Bundestagsabgeordneten

Mehr Geld für Länder, Bildung und Alleinerziehende; Bund errichtet Verkehrsinfrastrukturgesellschaft – Privatisierung von Autobahnen wird dabei ausgeschlossen

Der Bundestag hat am 1. Juni ein Gesetz zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems sowie damit verbundene Änderungen des Grundgesetzes beschlossen (Drucksachen 18/11131, 18/11135). Mit der notwendigen Zustimmung des Bundesrates ist zu rechnen.
Geregelt werden damit insbesondere:
– die Stärkung der Länderfinanzen durch Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen,
– mehr Möglichkeiten des Bundes bei der Finanzierung von Bildungsinvestitionen,
– die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses für berufstätige Alleinerziehende und ihre Kinder sowie
– die Errichtung einer Verkehrsinfrastrukturgesellschaft, die den Bau, die Planung und Verwaltung von Autobahnen und Bundesstraßen übernimmt.
Mit den finanziellen Verbesserungen für Länder, Bildung und Alleinerziehende werden wichtige Anliegen der SPD umgesetzt.
Die öffentliche Debatte über das Reformpaket konzentrierte sich zuletzt stark auf die neue Verkehrsinfrastrukturgesellschaft. Dabei stand die Befürchtung im Vordergrund, dass durch die Gesetzesänderungen eine Privatisierung von Bundesautobahnen beschlossen würde. Dies konnte jedoch durch intensiven Einsatz der SPD-Bundestagsfraktion verhindert werden! Während der ursprüngliche Regierungsentwurf insofern noch Einfallstore offen ließ, haben wir den Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren grundlegend überarbeitet und nun eine vierfache Privatisierungsschranke im Grundgesetz eingezogen.
Richtig ist zwar, dass sich der Bund zur Erfüllung seiner zukünftigen Aufgaben einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen kann. Das betrifft jedoch nur die formale Rechtsform, ist aber gerade keine materielle Privatisierung. So bedienen sich zum Beispiel auch Kommunen zur Erfüllung der Daseinsvorsorge sehr oft der Rechtsform einer GmbH, ohne dass dies als Privatisierung angesehen werden kann, weil die Kontrolle der Kommune erhalten bleibt. Übrigens nutzen auch Gewerkschaften und andere Organisationen diese Rechtsform. Der Grund sind jeweils bessere Steuerungsmöglichkeiten. So ist es auch hier.
Dies vorweggeschickt, möchten wir Euch nachfolgend einige Hintergründe und Details näher erläutern. Denn es handelt sich insgesamt um eine der komplexesten und weitreichendsten Entscheidungen in dieser Legislaturperiode. Unter I. geben wir einen Überblick zu den Kernpunkten, unter II. gehen wir dann ausführlich auf die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft ein.

I. Hintergrund und Kernpunkte des Bund-Länder-Reformpaketes
Ausgangspunkt des Gesetzgebungsverfahrens war eine Einigung zwischen allen 16 Landesregierungen und der Bundesregierung im Oktober und Dezember 2016 über ein Paket von Maßnahmen, die zum Teil Änderungen des Grundgesetzes erfordern, zum Teil einfachgesetzlich geregelt werden.
Kernpunkt des Pakets ist die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs ab dem Jahr 2020. In dem Paket enthalten ist auch eine Lockerung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich, die es dem Bund ermöglicht, Geld für Bildungsinfrastruktur in finanzschwachen Kommunen zur Verfügung zu stellen, um beispielsweise Schulgebäude zu sanieren und zu modernisieren. 3,5 Milliarden. Euro stehen dafür zur Verfügung. Das Geld geht vom Bund über die Länder an die Kommunen, die dann vor Ort entscheiden, wie es investiert wird.
Des Weiteren wird im Rahmen des Pakets der Unterhaltsvorschuss stark verbessert, den Alleinerziehende erhalten, wenn das eigentlich unterhaltspflichtige Elternteil nicht zahlt: künftig wird nicht nur bis zum 12. Geburtstag des Kindes gezahlt, sondern bis zum 18. Geburtstag, und während bislang maximal 6 Jahre lang gezahlt wurde, entfällt diese Befristung künftig komplett.
Das nach zweijährigen Verhandlungen zwischen Bundesregierung und Ländern vereinbarte Reformpaket wurde im parlamentarischen Verfahren auf Druck der SPD-Bundestagsfraktion an entscheidenden Stellen verändert. Es hat sich gelohnt, dass wir auf eine intensive und sorgfältige parlamentarische Beratung des umfassenden Gesetzespakets bestanden haben.
Insgesamt wurde ein gutes Gesamtergebnis erzielt:

  • Erstens sichern wir die finanzielle Handlungsfähigkeit von Ländern und Kommunen nach Auslaufen des Solidarpakts
  • Wir haben zweitens erreicht, dass das Kooperationsverbot aufgebrochen und der Bund nun 3,5 Milliarden Euro für Bildungsinvestitionen in finanzschwachen Kommunen bereitstellen kann
  • Mit der Ausweitung des Unterhaltsvorschusses unterstützen wir drittens berufstätige Alleinerziehende und ihre Kinder
  • Und viertens verankern wir im Grundgesetz eine eindeutige Schranke gegen die Privatisierung von Autobahnen und Bundesstraßen wie auch der neuen Infrastrukturgesellschaft. Denn für uns Sozialdemokraten gehört diese Infrastruktur in öffentliche Hand

Die Reform des föderalen Finanzausgleiches verschafft den Ländern im Anschluss an den auslaufenden Solidarpakt die notwendige Rechtssicherheit, damit diese ihre Aufgaben erfüllen und die Schuldenbremse einhalten können. Dafür wird sich der Bund noch wesentlich stärker finanziell engagieren. Allein 2020 werden die Länder vom Bund zusätzlich rund 10 Milliarden Euro erhalten. Der Bund bekennt sich damit zu seiner Pflicht, gemeinsam mit den Ländern gleichwertige Lebensverhältnisse in unserem Land zu sichern. Denn die Chance auf ein gutes Leben in unserem Land darf nicht vom Wohnort abhängen. Deshalb gibt es auch in Zukunft einen fairen Ausgleich zwischen finanzstarken und finanzschwächeren Bundesländern, der die finanzstarken nicht aus ihrer solidarischen Verantwortung entlässt.
Ein großer Erfolg der SPD-Bundestagsfraktion ist, dass der Bund endlich auch in gute Schulen mit moderner IT-Ausstattung und modernen Klassenräume investieren kann. Bislang ist ihm eine solche Kooperation mit den Ländern im Bildungsbereich untersagt. Mit der geplanten Grundgesetzänderung wird dieses Verbot nun aufgebrochen. Bis zum Jahr 2022 stellt der Bund nun insgesamt 3,5 Mrd. Euro zusätzlich für die Bildungsinfrastruktur in finanzschwachen Kommunen zur Verfügung, um Ländern und Kommunen zu helfen, den massiven Sanierungsstau an deutschen Schulen abzubauen.
Ein weiterer wichtiger Fortschritt für fast eine Million alleinerziehender Eltern und ihrer Kinder ist die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses. Wie von unserer Fraktion gefordert, wird die Altersgrenze von jetzt 12 Jahre auf 18 Jahre angehoben und die zeitliche Befristung der Bezugsdauer von maximal sechs Jahren abgeschafft. Berufstätige Alleinerziehende, bei denen das unterhaltspflichtige Elternteil seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, erhalten dadurch mehr staatliche Unterstützung, damit sie ihre Doppelbelastung von Job und Kinderbetreuung besser stemmen können.
Ein weiteres Element des Paketes sind die Gesetzentwürfe, mit denen Verwaltung und Bau von Autobahnen und sonstigen Bundesfernstraßen in Deutschland neu geordnet werden. Hierzu nachfolgend mehr.

II. Die neue Verkehrsinfrastrukturgesellschaft: Keine Privatisierung der Autobahnen
Mit der Einrichtung einer Verkehrsinfrastrukturgesellschaft wird der Bund künftig den Bau, die Planung und Verwaltung von Autobahnen und Bundesstraßen übernehmen. Damit soll sichergestellt werden, dass Investitionen in diese Infrastruktur schneller und bedarfsgerechter umgesetzt werden können, weil die Umsetzung nicht davon abhängig ist, inwieweit einzelne Länder leistungsfähig sind und ausreichende Planungskapazitäten vorhalten.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat dabei von Anfang an klar gemacht: Eine Privatisierung wird es mit uns nicht geben. Nach zähem Ringen mit der Union ist es unserer Fraktion gelungen, den Regierungsentwurf an entscheidenden Stellen zu verändern. Im Ergebnis haben wir verhindert, dass Autobahnen und Bundesstraßen privatisiert werden können. Im Grundgesetz wird festgeschrieben, dass der Bund 100prozentiger Eigentümer sowohl der Bundesfernstraßen als auch der Infrastrukturgesellschaft bleibt. Eine unmittelbare oder mittel-bare Beteiligung privater Investoren an der Infrastrukturgesellschaft oder möglicher Tochtergesellschaften ist ebenfalls grundgesetzlich ausgeschlossen.
Um effizienter arbeiten zu können ist die Infrastrukturgesellschaft als privatrechtliche GmbH organisiert – wie dies etwa bei stadteigenen Stadtwerken und Verkehrsgesellschaften, aber auch bei vielen Bundesinstitutionen der Fall ist wie zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Auf diese GmbH hat das Parlament aber nun mehr Kontroll- und Einflussmöglichkeiten, als es gegenüber dem Bundesverkehrsministerium und sechzehn Landesverkehrsministerien je hatte. Der Einfluss des Parlaments wird mit der Reform also gestärkt.
Erstmals gibt es auch eine klare gesetzliche Grenze für die Zusammenarbeit des Staates mit dem privaten Sektor im Rahmen von Öffentlich-Privaten-Partnerschaften (ÖPP). Sie werden künftig nur auf nicht miteinander verbundenen Teilstrecken von max. 100 Kilometer möglich sein. Über die Mauteinnahmen bestimmt weiterhin der Bundestag.
Ein besonders wichtiges Anliegen war uns, dass beim Personalübergang die Interessen der Beschäftigten gewahrt bleiben. Das ist uns gelungen: Alle wechselbereiten Beschäftigten der Straßenbauverwaltungen der Länder werden vom Bund übernommen und grundsätzlich dort eingesetzt, wo sie bisher arbeiten. Die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft ist zudem verpflichtet, Tarifverträge für alle Beschäftigten der Infrastrukturgesellschaft abzuschließen.
Zu den Privatisierungsschranken im Grundgesetz:
Schon innerhalb der Bundesregierung ist es der SPD gelungen, eine doppelte Privatisierungsschranke im Gesetzentwurf der Regierung zur Änderung des Grundgesetzes durchzusetzen. Im Grundgesetz selbst wird deswegen in Artikel 90 geregelt werden, dass nicht nur die Bundesfernstraßen selbst im unveräußerlichen, 100prozentigen Eigentum des Bundes stehen, sondern auch die Infrastrukturgesellschaft, die für deren Planung, Bau und Betrieb zuständig sein wird. CDU-Finanzminister Schäuble und CSU-Verkehrsminister Dobrindt wären bereit gewesen, 49 Prozent dieser Gesellschaft an private Investoren zu verkaufen. Das haben wir schon verhindert, noch bevor das Gesetzgebungsverfahren den Bundestag erreicht hat.
In intensiven und schwierigen Verhandlungen mit CDU/CSU haben wir als SPD-Bundestagsfraktion nun zwei weitere Grundgesetz-Änderungen durchgesetzt.
1) Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Infrastrukturgesellschaft und deren Tochtergesellschaften wird in Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes ausgeschlossen. Damit ist klar: die Gesellschaft bleibt zu 100 Prozent staatlich, null Prozent privat.
2) Ausgeschlossen wird auch eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte, z.B. durch sogenannte Teilnetz-ÖPP. In Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes wird dazu der Satz eingefügt: „Eine Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ist ausgeschlossen für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile davon umfassen.“ Einfachgesetzlich wird geregelt, dass Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) nur auf der Ebene von Einzelprojekten bis maximal 100 Kilometer Länge erfolgen, die nicht räumlich miteinander verbunden sein dürfen.
Mit diesen Grundgesetz-Änderungen und vielen einfachgesetzlichen Änderungen stellen wir sicher, dass auch theoretisch mögliche Hintertüren für eine Privatisierung fest verschlossen sind. Vieles, was bislang rechtlich möglich gewesen wäre bei der Einbeziehung privater Betreiber und institutioneller Investoren, ist jetzt erstmals rechtlich ausgeschlossen. Manche Kritiker und manche Kampagne hat absurderweise gerade uns als SPD in den letzten Wochen unterstellt, mit den Grundgesetz-Änderungen würden wir die Türen für eine Privatisierung öffnen. Das Gegenteil ist richtig: Wir schließen Türen, die bislang offen standen.
Dies bestätigt uns auch der Bundesrechnungshof (BRH), der das Gesetzgebungsverfahren mit mehreren Berichten begleitet hat. In seinem jüngsten Bericht vom 24. Mai 2017 gleicht der BRH die Empfehlungen aus seinen Berichten mit den Änderungsanträgen der Koalitionsfraktionen ab und kommt zusammenfassend u.a. zu folgenden Ergebnissen:
„Der Änderungsantrag berücksichtigt in weiten Teilen die Anregungen des Bundesrechnungshofes zur Organisation der Infrastrukturgesellschaft. Danach muss das Parlament einem möglichen Rechtsformwechsel der Infrastrukturgesellschaft zustimmen. Darüber hinaus ist jegliche Privatisierung der Bundesautobahnen ausgeschlossen. Die Gründung von regionalen Tochtergesellschaften ist nicht mehr zwingend vorgegeben, sondern steht nunmehr im Ermessen der Infrastrukturgesellschaft. Der Änderungsantrag enthält Regelungen zur Finanzierung der Infrastrukturgesellschaft, die die Empfehlungen des Bundesrechnungshofes berücksichtigen. So soll auch künftig der Bundesautobahnbau über den Bundeshaushalt finanziert werden. Dazu sollen der Infrastrukturgesellschaft Mauteinnahmen zur Verfügung gestellt werden. Überdies soll der Einfluss des Parlamentes auf die Verwaltung der Bundesautobahnen gewahrt bleiben. Anstatt der ursprünglich geplanten staatsfernen soll eine staatsnahe Infrastrukturgesellschaft entstehen. Zudem sollen die Kreditfähigkeit der Infrastrukturgesellschaft eingeschränkt sowie stille Gesellschaften und Unterbeteiligungen verhindert werden.“
Im Ergebnis haben wir als SPD die doppelte Privatisierungsschranke des Regierungsentwurfs (Bund ist 100prozentiger Eigentümer erstens der Autobahnen und zweitens der Autobahngesellschaft) mit weiteren Privatisierungsschranken verstärkt.
Neben den beiden Grundgesetz-Änderungen verweise ich auf folgende Punkte, die in der öffentlichen Diskussion immer wieder auftauchen und oft falsch dargestellt werden

  • Die Gesellschaft wird nicht kreditfähig. Damit ist die Gefahr einer Aufnahme von privatem Kapital zu hohen Zinsen gebannt. Um effizient wirtschaften und „atmen“ zu können, kann die Gesellschaft aber Liquiditätshilfen (zinslose Darlehen) aus dem Bundeshaushalt erhalten, wie andere Bundesgesellschaften auch.
  •  Eine Ãœbertragung von sog. Altschulden auf die Gesellschaft wird ausgeschlossen.
  • Das wirtschaftliche Eigentum an den Bundesautobahnen geht nicht an die Gesellschaft über, sondern bleibt beim Bund. Die Ãœbertragung und die Ãœberlassung von Nießbrauch-Rechten und anderen Rechten werden ausgeschlossen.
  • Mautgläubiger der LKW-Maut und der PKW-Maut bleibt der Bund. Die Option, dass die Gesellschaft das Mautaufkommen direkt vereinnahmen kann, wird gestrichen.
  • Die neue Gesellschaft wird als GmbH errichtet und damit als juristische Person des privaten Rechts. Es ist aber grob irreführend, „privatrechtlich“ mit „Privatisierung“ gleichzusetzen. Deutschland organisiert zum Beispiel einen Großteil seiner internationalen Entwicklungshilfe über die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die ebenfalls eine GmbH ist. Trotzdem hat wohl noch niemand ernsthaft behauptet, Deutschland habe seine Entwicklungshilfe privatisiert

Genauso irreführend ist die Behauptung, durch die Zulässigkeit einzelner ÖPP-Projekte werde die Privatisierung eben doch noch ermöglicht. Erstens: Eine öffentlich-private Partnerschaft ist nicht das gleiche wie Privatisierung. Aber selbst wenn man das annehmen möchte, gilt zweitens: ÖPP sind immer nur dann erlaubt, wenn sie wirtschaftlicher sind als die herkömmliche Beschaffung (Staat bzw. Gesellschaft bauen und betreiben selbst) – was bei einer effizient arbeitenden neuen Gesellschaft seltener der Fall sein wird als in den jetzigen Strukturen (weswegen beispielsweise die österreichische Autobahngesellschaft ASFINAG kein einziges ÖPP-Projekt macht, obwohl sie könnte). Drittens und aus meiner Sicht am Wichtigsten: ÖPP bleibt auf Einzelprojekte beschränkt, und durch die von uns durchgesetzte Grundgesetz-Änderung ist es dauerhaft verboten, ein ÖPP-Projekt an das andere zu setzen, bis irgendwann wesentliche Teile des Autobahnnetzes oder des Bundesstraßennetzes in einem Bundesland als ÖPP betrieben werden.
Uns Sozialdemokraten war aber nicht nur der Ausschluss von Privatisierungsoptionen wichtig, sondern auch die Zukunft der Beschäftigten, die gegenwärtig in den Straßenbauverwaltungen der Länder beschäftigt sind und künftig zum Bund wechseln sollen. Wir haben Kernforderungen der Gewerkschaften durchgesetzt, um die berechtigten Interessen der Beschäftigten zu schützen und eine leistungsfähige neue Organisation zu schaffen, die ein attraktiver Arbeitgeber wird. So wird der Bund alle wechselbereiten Beschäftigten (Beamte, Arbeitnehmer und Auszubildende) unter Wahrung ihrer Besitzstände übernehmen (keine „Rosinenpickerei“). Nicht wechselbereite Beschäftigte bei Ländern und Kommunen werden weiterbeschäftigt, deren Personalkosten werden voll erstattet. Für die Beschäftigten bei der Gesellschaft sind Tarifverträge abzuschließen. Für die Überleitung der Beschäftigten werden Überleitungstarifverträge angestrebt. Beides wird gesetzlich geregelt. Die Personalvertretungen werden an der Arbeit des begleitenden Bund-Länder-Gremiums beteiligt, sofern Belange der Beschäftigten berührt sind.
Zu guter Letzt war uns wichtig, dass die Reform nicht zu weniger demokratischer Kontrolle und Einflussnahme führt, sondern dass die Informations- und Steuerungsrechte des Bundestages gewahrt bleiben. So bedarf zum Beispiel der Gesellschaftsvertrag der GmbH und wesentliche Änderungen der vorherigen Zustimmung durch den Haushaltsausschuss und den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages. Mitglieder des Deutschen Bundestages werden im Aufsichtsrat der Gesellschaft vertreten sein. Der fünfjährige Finanzierungs- und Realisierungsplan der Gesellschaft bedarf der vorherigen Zustimmung durch den Haushaltsausschuss und den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages. Eine unabhängige externe Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Gesellschaft sowie möglicher Töchter wird sichergestellt, indem entsprechende Prüfrechte des Bundesrechnungshofes verankert werden. Aus der ursprünglich geplanten staatsfernen Gesellschaft ist somit eine staatliche Gesellschaft geworden, die demokratischer Kontrolle unterliegt.

Fazit:
Die Verkehrspolitiker in der SPD-Bundestagsfraktion hätten sich an der einen oder anderen Stelle alternative Regelungen vorstellen können. In der Summe ergibt sich aber ein Gesetzespaket, dem man guten Gewissens zustimmen konnte. Die teilweise Beendigung der Auftragsverwaltung für die Autobahnen und bundeseigene Verwaltung zielt auf zügigere Baumaßnahmen und einen effizienteren Mitteleinsatz ab. Der Bund ist künftig durch die zentrale Steuerung weniger abhängig von der Kooperationsbereitschaft und der Leistungsfähigkeit von Landesstraßenbauverwaltungen, um seine Prioritätensetzungen bei den Verkehrsinvestitionen umzusetzen. Ferner wird der Lebenszyklus einer Bundesautobahn in den Fokus gerückt. Aus unserer Sicht kommt es nun darauf an, die praktische Umsetzung der Reformen in der nächsten Legislaturperiode sorgfältig zu begleiten und dafür Sorge zu tragen, dass die vorgenannten Ziele auch tatsächlich erreicht werden. Erforderlichenfalls sind die gesetzlichen Regelungen weiter zu präzisieren.
Hervorzuheben sind die Verbesserungen, die wir im parlamentarischen Verfahren erreicht haben. (1) Eine Privatisierung der Autobahnen und Bundesstraßen findet nicht statt; mit dem Gesetz errichten wir Schranken, wo es vorher keine gab, auch im Grundgesetz. (2) Wir haben die berechtigten Interessen der Beschäftigten geschützt und schaffen eine leistungsfähige neue Organisation, die ein attraktiver Arbeitgeber wird. (3) Der Einfluss des demokratisch gewählten Parlaments auf die Verkehrsinvestitionen bleibt gewahrt.
Unser verkehrspolitisches Ziel ist es, die neue Gesellschaft so zu gestalten, dass sie als gemeinwohlorientierte Einrichtung für ein effizientes Autobahn-Netz in Deutschland sorgt, das allen Menschen in unserem Land zu Gute kommt.

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