Bundestagsrede von Martin Dörmann zur abschließenden Lesung  zum Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (9. GWB-Änderungsgesetz, Drs. 18/10207)

 

Es ist schon angekündigt worden, dass ich einige Anmerkungen zu den medienrelevanten Bestimmungen dieser Novelle zum Wettbewerbsrecht machen möchte.

Ich will noch einmal herausstellen: Für die SPD-Fraktion ist die Sicherung von Medienfreiheit und Medienvielfalt ein ganz zentrales gesellschaftspolitisches Anliegen.

Leider müssen wir uns in der heutigen Zeit mit Entwicklungen auseinandersetzen, die beides gefährden, nämlich mit Fake News, antidemokratischem Populismus, autoritären Regimen, die Regierungspropaganda verbreiten, und sogar mit der Verfolgung und Inhaftierung von Journalistinnen und Journalisten, etwa in der Türkei, aber auch in anderen Ländern dieser Welt. All diese Phänomene belegen eindrücklich, wie wichtig eine vielfältige Presselandschaft ist, wie wichtig gute Recherche und wie wichtig qualitativ hochwertiger Journalismus für unsere Freiheit und für unsere Demokratie sind. Deshalb müssen wir das alles stärken.

Gleichzeitig erleben wir eine tiefgreifende Veränderung der Medienlandschaft. Die fortschreitende Digitalisierung und das Internet haben gravierende ökonomische und strukturelle Folgen. Die Umsätze von Zeitungen und Zeitschriften gehen seit vielen Jahren deutlich zurück. Ich nenne einmal eine Zahl: Im Jahre 2000 erzielten Tageszeitungsverlage in Deutschland noch Gesamterlöse in Höhe von 10,8 Milliarden, 2015 waren es nur noch 7,6 Milliarden Euro, ein Rückgang von etwa einem Drittel. Die Gründe liegen auf der Hand: Viele Menschen nutzen verstärkt kostenlose Angebote im Netz, sodass es weniger Abonnenten gibt. Vor allem aber sind die Werbeeinnahmen von Printmedien eingebrochen, weil es eine sehr starke Verlagerung ins Internet gegeben hat. Deshalb sind die Einnahmen der Printverlage, was die Tageszeitungen angeht, in den letzten 15 Jahren um über 50 Prozent zurückgegangen. Man kann also konstatieren, dass hier ein gravierender Wandel stattfindet.

Jetzt sagen viele: Okay, die machen jetzt aber auch Angebote im Internet. – Ich will noch einmal herausstellen: Es gibt keinen einzigen Zeitungsverlag, der im Moment mit seinen zusätzlichen Angeboten im Internet schwarze Zahlen schreibt. Im Gegenteil: Zunächst muss ja investiert werden; die Einnahmen, die dort erzielt werden können, wachsen erst. Erst jetzt gibt es auch Bezahlangebote. Das wird sukzessive angenommen. Aber am Ende ist es immer noch so, dass bei den großen Zeitungsverlagen der Printbereich den Onlinebereich quersubventioniert. Deshalb ist der Kostendruck weiterhin groß. Wozu führt das? Möglicherweise gibt es weniger Recherche. Redaktionen werden zusammengelegt. Vielleicht verschwinden sogar einzelne Titel. – Das ist die Entwicklung, die wir stoppen müssen; denn das ist genau das Gegenteil dessen, was wir für eine vielfältige Medienlandschaft brauchen.

Die Koalition hat sich bereits im Koalitionsvertrag vorgenommen, eine bessere Zusammenarbeit der Presseverlage zu ermöglichen. Es geht ausdrücklich nicht um Fusionen; das sage ich an die Kollegen Lutze und Janecek gerichtet, die indirekt einen anderen Eindruck vermitteln wollten. Es geht vielmehr darum, die ökonomische Lage für die Presseverlage zu verbessern, und zwar indem Kosten gesenkt und mehr Erlöse erzielt werden. Die Kostensenkungen betreffen dabei gerade nicht die Redaktionen, weil wir nicht bei der redaktionellen Ebene ansetzen. Worum geht es konkret? Es geht darum, dass wir eine Bereichsausnahme für Presseverlage machen, damit sie in zwei Bereichen zusammenarbeiten können: im Vertrieb, beispielsweise im Abo-Vertrieb, damit sie Portfolios entwickeln können, die besser angenommen werden, und in der Anzeigenvermarktung. Ich habe ja gerade dargestellt, wie drastisch die Einnahmen dort gesunken sind. Wir wollen es ermöglichen, dass sich Zeitungsverlage mit gemeinsamen Anzeigenangeboten gegenüber den übermächtigen Mediaagenturen profilieren können, die heute den Großteil der Umsätze großer Unternehmen im Bereich Werbung bündeln und sie auf die einzelnen Bereiche – Fernsehen, Internet, Zeitungen – verteilen. Es ist ja ganz klar, dass ein einzelner Zeitungstitel da keine Verhandlungsmacht hat. Deshalb müssen Verlage stärker kooperieren können, um gemeinsame Angebote durchzusetzen.

Ich appelliere an die Opposition, weil ich glaube, dass wir beim Thema Pressefreiheit eine große Einigkeit haben sollten: Helfen Sie mit, gemeinsam diese wichtige Reform auf den Weg zu bringen! Lassen Sie uns dafür sorgen, dass mehr Einnahmen für gute Recherche, für starke Redaktionen zur Verfügung stehen! Damit stärken wir die Presse und den unabhängigen Journalismus, und das ist genau das, was wir in der heutigen Zeit brauchen.