Rede in der Plenardebatte des Deutschen Bundestages am 11. Juni 2015

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das heute in Rede stehende Leistungsschutzrecht für Presseverleger wurde in der vergangenen Wahlperiode von der schwarz-gelben Koalition beschlossen. Wie Sie wissen, hat damals die SPD-Bundestagsfraktion gegen das Gesetz gestimmt, wie ich finde, aus guten Gründen. Union und SPD haben hier also eine gegensätzliche Auffassung. Dies ist der Hintergrund dafür, dass wir uns im Koalitionsvertrag zunächst darauf verständigt haben, die Wirkung des Gesetzes zu überprüfen. Eine Evaluierung soll darüber Aufklärung bringen, wie das Gesetz wirkt und welche Konsequenzen hieraus gezogen werden müssen. Da wir uns in der Großen Koalition auf dieses Verfahren verständigt haben, werden wir den vorliegenden Gesetzentwurf der Oppositionsfraktionen ablehnen, durch den die Aufhebung dieses Gesetzes bereits jetzt herbeigeführt würde.

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Dennoch möchte ich die heutige Debatte dafür nutzen, hier noch einmal darzulegen, warum die SPD-Fraktion dem Leistungsschutzrecht von Anfang an skeptisch gegenüberstand und die getroffene gesetzliche Regelung für problematisch hält.

Ich will zunächst in Erinnerung rufen, was die Ausgangslage der seinerzeitigen Debatte war. Wir alle leben in einer veränderten Medienwelt. Abos und Auflagen von Tageszeitungen gehen zurück. Das Anzeigengeschäft im Printbereich ist teilweise sogar dramatisch eingebrochen. Praktisch alle namhaften Titel haben gleichzeitig umfangreiche Internetportale aufgebaut, die bislang ganz überwiegend kostenlos genutzt werden können. Auch das Anzeigengeschäft ist stark in den Onlinebereich abgewandert, ohne dass hierdurch in der Regel aber bereits schwarze Zahlen geschrieben werden. Um auch in Zukunft guten Journalismus finanzieren zu können, werden deshalb nach und nach Bezahlangebote etabliert; denn gute Recherche kostet Geld, und Journalistinnen und Journalisten müssen für ihre kompetente und für die Gesellschaft immanent wichtige Arbeit angemessen entlohnt werden. Bezahlangebote werden sich aber nur dann auf Dauer durchsetzen können, wenn Urheberrechte gewahrt und journalistische Inhalte nicht von Dritten ohne Erlaubnis umfangreich genutzt werden.

Nun gibt es im Netz die sogenannten News-Aggregatoren und Harvester. Sie sammeln die Inhalte anderer und bieten diese als eigene Dienstleistungen an, ohne von den Rechteinhabern die Erlaubnis dafür zu haben. Gemeint sind hier nicht die Suchmaschinen, die nur einige kurze Textschnipsel nutzen, sondern Plattformen, die illegal ganze Artikel verwenden. Gegen diese Rechtsverstöße in jedem Einzelfall erfolgreich vorzugehen, hat sich für die Verlage als schwierig erwiesen; denn Gerichte verlangen für jeden Artikel eine komplexe Darstellung der Rechtekette. Das hat viele Prozesse aus Sicht der Verlage unwirtschaftlich gemacht. Es geht also im Kern nicht darum, dass es an Rechten fehlt, sondern darum, dass die Rechtsdurchsetzung oftmals so schwierig ist, dass diese Rechte ins Leere zu laufen drohen.

Gerade auch von Verlagsprotagonisten für ein Leistungsschutzrecht wurde uns übrigens bestätigt, es gehe im Kern um eine bessere Rechtsdurchsetzung bereits bestehender Urheberrechte. Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich, wie übrigens auch der Bundesrat, deshalb dafür eingesetzt, Lösungen zu suchen, die eine bessere Rechtsdurchsetzung ermöglichen. Damit hätten wir uns viele Folgeprobleme des jetzt diskutierten Gesetzes erspart.

Die schwarz-gelbe Koalition ist einen anderen Weg gegangen. Nach vielen Pirouetten zu Beginn hat man sich letztendlich entschieden, ein Leistungsschutzrecht zu zimmern, das im Wesentlichen auf Suchmaschinenbetreiber ausgerichtet ist, eigentlich namentlich auf Google. Wir haben das stets für einen falschen Ansatz gehalten; denn Suchmaschinen üben eine wichtige Lotsenfunktion im Netz aus. Sie bündeln und strukturieren nämlich die dort vorhandenen vielfältigen Informationen und machen sie so für die Nutzerinnen und Nutzer besser zugänglich. Zugleich profitieren gerade auch die Zeitungsportale; denn es werden zusätzliche Leser auf ihre Seiten gelenkt, durch die sich höhere Anzeigeneinnahmen erzielen lassen.

Die beinahe monopolartige Stellung der Suchmaschine von Google ist allerdings dann ein Problem, wenn die Platzierung von Suchergebnissen nicht nach objektiven Kriterien erfolgt, sondern womöglich von den Geschäftsinteressen des Unternehmens mitbestimmt wird. Deshalb ist es der richtige Weg, dass nun im Rahmen der aktuellen Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz darüber nachgedacht wird, ob und in welcher Form es einer Regulierung von Suchmaschinen bedarf, um Transparenz und Diskriminierungsfreiheit zu sichern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das beschlossene Leistungsschutzrecht hat aus meiner Sicht bislang vor allem neue Rechtsunsicherheiten produziert, die nun übrigens gerichtlich geklärt werden müssen.

Fakt ist jedenfalls, dass Google nicht, wie eigentlich beabsichtigt, an Presseverlage zahlt, sondern diese zunächst ausdrücklich eingewilligt haben, dass Google verlinken kann, ohne dafür zu zahlen. Stand heute hat das Gesetz also aus meiner Sicht keines seiner Ziele erreicht, sondern vor allem dafür gesorgt, dass einige Anwälte wahrscheinlich noch auf Jahre hinaus ein sicheres Einkommen haben.

Von daher bin ich sehr gespannt, was die von der Koalition vereinbarte Evaluierung ergibt.

Herzlichen Dank.